Weihnachten 2021
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Engagierte in der Flüchtlingshilfe,
einen Tag vor Heiligabend werden wir unseren traditionellen vorweihnachtlichen Gottesdienst mit der Caritas-Dienstgemeinschaft feiern. Das ist nur dadurch möglich, weil immer mehr Menschen geimpft und geboostert sind; und wenn wir der 3G-Plus-Regel folgen, dann haben wir ein relatives Sicherheitsgefühl.
Sich zu keiner Zeit in Sicherheit fühlen können dagegen die Menschen im Mittelmeer, an der polnisch-belarussischen Grenze oder in Afghanistan. Von anderen verzweifelten Menschen im Ärmelkanal oder unseren Freunden in Syrien und allen Nachbarländern Syriens ganz zu schweigen. Über 1690 Ertrunkene im Mittelmeer allein in 2021 sind mehr als nur ein Armutszeugnis für den reichsten Kontinent der Welt ohne eigene Seenotrettungsmission. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die EU sich damit abgefunden hat, die Seenotrettung privaten Organisationen zu überlassen. So gesehen kann man von einer „glücklichen Lage“ sprechen, dass aktuell nicht so viele Rettungsschiffe festgesetzt werden und vergleichsweise viele private Seenotrettungsschiffe über Weihnachten Wache halten werden.
Ihr unermüdliches Engagement für und mit Menschen, die es zu uns geschafft haben und Ihre Stimme für eine humanere Flüchtlings- und Migrationspolitik erfüllen mich mit Dankbarkeit. Gleichzeitig ermutigen die migrationspolitischen Töne der neuen Bundesregierung dazu, dass wir in vielen Bereichen einen hoffnungsvollen Ausblick auf das neue Jahr wagen und hoffentlich das Resümee ziehen werden: „das Engagement hat sich in jedem einzelnen Fall gelohnt“.
Am Ende eines besonders anstrengenden Jahres wünsche ich Ihnen eine gesegnete Weihnacht und frohe Feiertage. Kommen Sie gut und gesund ins neue Jahr. Mit einer filmischen Einstimmung katholischer Bistümer auf die Feiertage grüße ich Sie ganz herzlich.
Josef Lüttig
Diözesan-Caritasdirektor und Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen
1. BAMF verlängert Frist für Familienasylantragsstellung auf 3 Monate
Vom Hessischen Flüchtlingsrat erhielten wir den Hinweis auf eine wichtige Neuerung des BAMF hinsichtlich Antragstellung auf Familienasyl nach erfolgter Familienzusammenführung. Auf Seite 223 der entsprechenden Dienstanweisung heißt es: „Besonderheiten gelten für Asylanträge von Familienmitgliedern, die durch Familienzusammenführung (d.h. mit Zustimmung der ABH und Visum) nach Deutschland gekommen sind. Grundsätzlich ist beim Familiennachzug eine Antragstellung nicht vorgesehen, da die ABH einen Aufenthaltstitel ausstellt. Wenn dennoch ein Antrag gestellt wird, kann Familienschutz ebenfalls nur bei unverzüglicher Antragstellung gewährt werden. In dieser Fallkonstellation ist jedoch erst von einem schuldhaften Zögern (d.h. keiner Unverzüglichkeit) und damit einer verspäteten Antragstellung auszugehen, wenn der Asylantrag nicht innerhalb von drei Monaten nach der Einreise gestellt wird.“
Bislang ging das BAMF auch hier von einer 2-Wochen-Frist aus. Nach Einschätzung des FR Hessen stellt die neue Vorschrift eine erhebliche Erleichterung für Betroffene, die doch einen Antrag auf Familienasyl stellen wollen. Stellt die zuständige Ausländerbehörde vorher eine Fiktionsbescheinigung von sechs Monaten und mindestens einem Tag aus, kann der Antrag schriftlich gestellt werden und die Betroffenen unterliegen nicht mehr der Wohnverpflichtung in der Erstaufnahmeeinrichtung. Eine Beratung im Vorfeld kann sich für die Betroffenen richtig lohnen.
2. Flyer: Menschenhandel im Kontext von Flucht
Menschen sind in Kriegs- und Krisengebieten und auf der Flucht besonders gefährdet, Gewalt zu erfahren und/oder ausgebeutet zu werden. Die besondere Gefährdung bleibt auch im europäischen Aufnahmeland bestehen. Faktoren wie prekäre Unterbringung, eingeschränkte Rechte, Lücken im Unterstützungssystem sowie fehlende Informationen zur eigenen rechtlichen Situation können das Risiko erhöhen. Geflüchtete Betroffene von Menschenhandel zu erkennen ist nicht einfach, es gibt jedoch einige Anhaltspunkte für Menschenhandel. In einem Flyer des KOK (Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel) erfahren Sie Wesentliches zum Thema und haben einen Gesamtüberblick, wo die nächste Fachberatungsstelle ist. Mehr
3. Videoreihe: „Jugendhilfe macht’s möglich?! Rechte junger Geflüchteter und ihrer Familie stärken.“
Das BumF-Projekt „Jugendhilfe macht’s möglich?! Rechte junger Geflüchteter und ihrer Familie stärken.“ kam kürzlich zum Abschluss. Es setzte sich mit der Frage auseinander, inwieweit die Kinder- und Jugendhilfe geflüchteten Familien Unterstützung anbieten kann und wie diese aussehen sollte. Da der abschließende Fachtag ausfallen musste, wurden dessen Inhalte in eine Videoreihe überführt. In den Videos werden verschiedene Perspektiven und Fragestellungen zum Thema Kinder- und Jugendhilfe für begleitete minderjährige Geflüchtete und ihre Familien sichtbar gemacht bzw. aufgegriffen und diskutiert. Dabei wurden die drei maßgeblichen Zielgruppen des Projekts eingebunden: Kinder und Jugendliche, ihre Eltern bzw. Sorgeberechtigen und Fachkräfte. Mehr
4. Netzwerk bürgerschaftliches Engagement gegründet
Am Samstag, 4. Dezember 2021, wurde bei einer digitalen Veranstaltung das Netzwerk bürgerschaftliches Engagement (NBE) NRW gegründet. Insgesamt gab es 44 Gründungsmitglieder aus den Bereichen Wohlfahrtspflege, Kirchen, Sport, Kultur, Kommunen, Bürgerstiftungen, Wissenschaften, darunter auch die fünf Diözesan-Caritasverbände in NRW. Weitere Organisationen werden folgen.
Erstmalig existiert ein solches Netzwerk in NRW, dessen Ziel es ist, die Vielfalt des bürgerschaftlichen Engagements in NRW zu vernetzen und Sprachrohr für die Engagierten zu sein. Gleichzeitig ist ein landesweiter Erfahrungsaustausch und Ideentransfer möglich. Das Netzwerk wird von der Landesregierung NRW mit bis zu 200.000 Euro jährlich unterstützt. Auf der Homepage des Landesnetzwerks engagiert in NRW gibt es aktuelle Informationen zur Arbeit.
5. MPs 2030 - Aktiv in Politik und Zivilgesellschaft
Mit dem Seminarprogramm „MPs 2030“ unterstützt IMPACT - Civil Society Research and Development e.V. junge Neuzugewanderte dabei, in Politik und Zivilgesellschaft aktiv zu werden. In Wochenendseminaren in Berlin beschäftigen sich die Teilnehmer*innen mit aktuellen Themen und entwickeln praktische Fähigkeiten, um eigene Projekte zu realisieren und sich in Parteien, sozialen Bewegungen, Vereinen etc. zu engagieren. Das Programm richtet sich an junge Menschen im Alter von 18 bis 32 Jahren, die keine Staatsbürger*innen von EU-Mitgliedsstaaten sind und während der letzten zehn Jahre nach Deutschland gekommen sind. Fahrt- und Übernachtungskosten werden übernommen. Interessierte können sich bis 9. Januar 2022 bewerben. Weitere Informationen und das Bewerbungsformular finden Sie hier.
6. Aktualisierte Arbeitshilfe „Grundlagen des Asylverfahrens“ erschienen
Der Paritätische Gesamtverband hat seine hilfreiche Arbeitshilfe den aktuellen Entwicklungen im deutschen und europäischen Asylrecht angepasst und in der 5. Auflage veröffentlicht. Sie richtet sich insbesondere an neue Asylverfahrensberater*innen und sonstige Personen, die Asylsuchende im Rahmen des Asylverfahrens unterstützen und beraten möchten. Sie bietet einen komprimierten Überblick über den Ablauf des Asylverfahrens und die wesentlichen Rechtsgrundlagen hierfür. Die Arbeitshilfe ist bewusst praxisorientiert gestaltet und stellt Basisinformationen zur Verfügung, die an zahlreichen Stellen weiterführende Hinweise zur Vertiefung beinhalten. Mehr
7. Videos zum Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete
Akteure im Bereich des Arbeitsmarktzugangs für Geflüchtete finden auf der Website des IvAF-Projekt Netwin³ zahlreiche hilfreiche Informationen, unter anderem Erklär-Videos, die in den Sprachen Arabisch, Deutsch, Englisch, Farsi alle Themen rund um den Arbeitsmarktzugang erklären. In sieben Videos werden allgemeine und rechtliche Informationen zu den folgenden Themenfeldern gegeben:
- Zugang zu einer Arbeitserlaubnis mit Aufenthaltsgestattung
- Zugang zu einer Arbeitserlaubnis mit einer Duldung
- Wer kann sich arbeitslos melden?
- Unterstützung Agentur für Arbeit
- Integrationskurs mit Duldung
- Integrationskurs mit Aufenthaltsgestattung
- Ausländische Abschlüsse
Das Projekt Netwin 3 wird vom Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V. koordiniert. Hier der Link zu den Videos.
8. Widerspruch mit einfacher E-Mail entspricht nicht der gesetzlichen Form
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Einlegung eines Widerspruchs mit einfacher E-Mail nicht der gesetzlichen Form entspricht. Geklagt hatte ein Ehepaar, das per E-Mail dem Bescheid des Jobcenters widersprechen wollte. Ein Widerspruch in elektronischer Form wäre nur bei einer qualifizierten elektronischen Signatur oder einer absenderauthentifizierten Übersendung (z.B. als De-Mail) zulässig, was hier nicht der Fall war. Auch das Anhängen eines unterschriebenen PDFs an eine einfache E-Mail erfüllt die gesetzliche Form nach wie vor nicht. Das Urteil vom 4.11.2021 (L 11 AS 632/20) finden Sie hier.
9. Flüchtig ist man nicht, wenn man nicht zu Hause ist
Ein Asylbewerber, der ins Ausland überstellt werden soll, muss sich nicht permanent in seiner Wohnung bereithalten. Das Bundesverwaltungsgericht hob eine Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge auf, die nach einem vergeblichen Abholungsversuch und einer Selbstgestellungsaufforderung den Mann als flüchtig betrachtet und die Überstellungsfrist verlängert hatte. Eine Flucht sei nur gegeben, wenn der Mann die Überstellung habe vereiteln wollen, was ein einmaliges Nichtantreffen in der Wohnung nicht suggeriere. Das Urteil.
10. Rückführungen nach Bulgarien wieder zulässig
In mehreren Urteilen vom 07.12.2021 hat das Niedersächsische OVG in Lüneburg entschieden, dass alleinstehende, nicht vulnerable Personen, die in Bulgarien internationalen beziehungsweise subsidiären Schutz erhalten haben, dorthin rücküberstellt werden dürfen. Dies entspreche der neuen Erkenntnislage und sei nach Unionsrecht zulässig. Für die Frage der Zulässigkeit der Rücküberstellung müssten danach lediglich die Mindestbedürfnisse in dem betreffenden Mitgliedstaat der Europäischen Union gedeckt sein ("Bett, Brot und Seife"). Zwar bestünden in Bulgarien schwierige Lebensverhältnisse, die sich durch die Corona-Pandemie noch verschlechtert hätten, es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass alleinstehende anerkannte Schutzberechtigte, die gesund und arbeitsfähig sind, dort kein für ihren eigenen Lebensunterhalt ausreichendes Erwerbseinkommen erzielen und keine Unterkunft finden könnten. OVG Lüneburg, Urteil vom 07.12.2021 - 10 LB 278/20; 10 LB 268/20; 10 LB 270/20; 10 LB 257/20
11. "MeinVokabular" - Deutsch lernen mit der kostenlosen App
Viele Geflüchtete, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, haben in Berufen und Betrieben des Handwerks eine neue Heimat gefunden. Die Kommunikation in den Betrieben funktioniert meist gut, notfalls auch manchmal "mit Händen und Füßen". Gerade das Erlernen von Fachwörtern des jeweiligen Berufs bereitet oft Schwierigkeiten. Um Geflüchtete beim Erlernen dieses Fachvokabulars zu unterstützen, hat die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern eine App speziell für Personen mit Fluchthintergrund im Handwerk entwickelt. Mehr
12. Mehrsprachige Informationen zum Impfen gegen Corona
Das MKFFI hat die freie Wohlfahrt bei der Bekanntmachung der Informationskampagne der Landesregierung für die Impfung um Unterstützung gebeten. Diese Bitte geben wir gerne weiter:
Die 4. Corona-Welle stellt uns weiter vor große Herausforderungen: die Impfquote ist ausbaufähig und leider kursieren auch Falschmeldungen zur COVID 19-Impfung, z.B. was Nebenwirkungen betrifft oder dass sie angeblich unfruchtbar mache. Uns haben auch Informationen aus verschiedenen Kreisen erreicht, dass Menschen nicht immer wissen, dass die Impfung kostenfrei ist.
Ich weiß, dass Sie vor Ort mit aller Kraft um Aufklärung und Information bemüht sind und möchte Ihnen dafür von Herzen danken. Um Sie bei dieser Arbeit weiter zu unterstützen, solche Falschmeldungen richtig zu stellen und Informationsdefizite zu decken, haben wir erneut mehrsprachige Informationen zum Impfen zusammengestellt, die Sie angehängt finden.
Auf der Website der Informationskampagne zur Impfung der Landesregierung finden Sie zusammengefasst, wie man sich und andere durch eine Impfung schützen und wie man mit einer Booster-Impfung diesen Schutz auffrischen kann. Neben Fakten und FAQs zum Thema finden Sie auch Links zu den Impfangeboten der einzelnen Städte und Kreise. Ein Video zur neuen Kampagne der Landesregierung zur Auffrischungsimpfung „Zusammenhalt Boostern. Jetzt Impfung auffrischen“ ist hier auf der Website abrufbar.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung informiert über mehrsprachige Materialien und Videos zum Thema in bis zu 23 Sprachen, die laufend erweitert und aktualisiert werden (z.B. zurzeit mit Infos zur Booster-Impfung).
13. Studie: Reaktionsmöglichkeiten bei Rassismus
Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, setzen sich häufig nicht dagegen zur Wehr. Verschiedene Studien zeigen, dass sie solche Vorfälle oft nicht einmal melden. Warum ist das so? Und von welchen Umständen hängt es ab, ob Menschen sich aktiv – und sogar erfolgreich – gegen rassistische Diskriminierungen wehren? Diesen Fragen ist ein Forschungsprojekt am DeZIM-Institut nachgegangen. Die Ergebnisse veröffentlicht das DeZIM-Institut jetzt in einem Project Report. „Solidarität und ein zivilcouragiertes Verhalten von Dritten sind entscheidende Faktoren, die Betroffene dazu ermutigen, gegen rassistische Diskriminierung vorzugehen. Um diese Solidarität und dieses Verhalten zu fördern ist es wichtig, die gesamte Gesellschaft für Rassismus zu sensibilisieren“, sagt Steffen Beigang, Mitautor der Studie. „Um es Betroffenen von rassistischer Diskriminierung zu ermöglichen, ihre Rechte durchzusetzen, müssen zudem Beratungs- und Rechtsstrukturen gestärkt werden. Insbesondere in staatlichen Institutionen sollte die Antidiskriminierungsarbeit ausgeweitet werden, denn diese haben eine Vorbildrolle. Nicht zuletzt sollte die Betroffenenberatung professionalisiert und ihre Kompetenzen sollten gebündelt werden.“ Mehr
14. Online-Schulungen des Flüchtlingsrates
Im Januar 2022 bietet der Flüchtlingsrat NRW gleich mehrere Online-Schulungen für Ehrenamtliche und Interessierte. Wie immer entstehen für die Teilnahme keine Kosten. Hier finden Sie die Themen, Termine und die Möglichkeit zur Anmeldung.
15. Rückkehr von Kindern im Familienverbund
Das Raphaelswerk hat in Zusammenarbeit mit IOM, Save the children und UNICEF eine Empfehlung zur Rückkehr von Kindern im Familienverbund herausgegeben. Diese finden Sie hier.
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Herausgeber: Josef Lüttig, Flüchtlingsbeauftragter
Redaktion: Hezni Barjosef, Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn, ;