Januar 2021
Liebe Engagierte in der Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn,
sehr geehrte Damen und Herren,
bestimmte Ereignisse prägen das Denken und Handeln von kommenden Generationen. In den letzten 100 Jahren zählten die beiden Weltkriege dazu – nun hat auch das Corona-Virus dem Weltgeschehen seinen Stempel aufgedrückt. So wird das Jahr 2020 nicht nur als Schnapszahl in die Geschichte eingehen, sondern gleichzeitig als Meilenstein, bei dem die Welt (hoffentlich) aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Aus flüchtlingspolitischer Sicht würde für uns alle, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren bedeuten, dass Konflikte und Kriege weniger werden, weniger Menschen ihre Heimat verlassen müssen, der Umgang mit Geflüchteten europa- und weltweit eine humanere Entwicklung nimmt, der Solidaritätsgedanke unter Nationen und Kontinenten stärker wird, kurzum: dass es deutlich wird, wir alle sitzen in einem Boot – nichts anderes hat Corona deutlicher werden lassen.
Ich hoffe, Sie sind gut in das neue Jahr gestartet. Das 2021 möge für uns alle unter dem Segen Gottes stehen, damit wir gemeinsam auf der Seite von Menschen stehen, die ihre Hoffnung in Europa und in unsere Solidarität und Werte gesetzt haben.
Beim Lesen unserer ersten Ausgabe dieses Jahres wünsche ich Ihnen angenehme Lektüre und hoffe, dass Sie Themen finden, die für Ihre alltägliche Arbeit nützlich sind.
Ihr Josef Lüttig
Vorstandsvorsitzender Diözesan-Caritasverband und Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen im Erzbistum Paderborn
1. BVerwG stärkt das Recht auf Familiennachzug
Geflüchtete mit subsidiärem Schutz haben Anspruch auf den Nachzug ihrer Familienangehörigen u.a. dann, wenn die Ehe bereits vor der Flucht im Heimatland geschlossen wurde. Im Falle eines Ehepaars aus Syrien hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig eine Ausnahme zugelassen und die Dauer der Zumutbarkeit der Trennung sowie das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt gestellt. Das Paar war 2012 aus Syrien geflüchtet, hat 2014 in Jordanien geheiratet und bekam ein Kind. Der Ehemann flüchtete nach Deutschland, wo ihm 2016 subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Der Antrag auf Nachzug für Frau und Kind blieb zunächst erfolglos, weil die Ehe nach der Flucht aus dem Heimatland geschlossen wurde. Das BVerwG bestätigte zwar das Prinzip grundsätzlich, ließ aber Ausnahmen zu. Das zuständige Verwaltungsgericht Berlin wird den Fall nun prüfen müssen. (Az. 1 C 30.19)
2. Dublin-Überstellung: Coronabedingte Aussetzung der Überstellung ist keine Unterbrechung der Frist
In der November-Ausgabe hatten wir auf mehrere Gerichtsurteile hingewiesen, die den Fortbestand der sechsmonatigen Überstellungsfrist gem. Dublin-Verordnung bestätigen, sollte die Überstellung coronabedingt nicht erfolgen können. Nun hat auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW am 27.11.2020 im Fall eines armenischen Schutzsuchenden entschieden, dass in so einer Situation keine Unterbrechung der Frist eingetreten und nach Ablauf von sechs Monaten Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist (Az. 11 A 2239/20.A).
3. Arbeitshilfe: Spurwechsel zwischen den Aufenthaltstiteln
Claudius Voigt, GGUA Münster, macht auf die Möglichkeiten eines „Spurwechsels“ zwischen den verschiedenen Aufenthaltstiteln aufmerksam. Als erste Orientierung weist er auf eine informative Arbeitshilfe des IQ Netzwerks Niedersachsen hin. Sein Fazit:
Ein Wechsel aus einer Aufenthaltserlaubnis und den meisten anderen Aufenthaltstiteln in eine andere Aufenthaltserlaubnis oder einen anderen Aufenthaltstitel ohne vorherige Ausreise ist grundsätzlich möglich. Dies ergibt sich aus § 39 S. 1 Nr. der Aufenthaltsverordnung (AufenthV). Hierfür müssen jedoch stets die Voraussetzungen erfüllt werden, die für den angestrebten Aufenthaltstitel verlangt werden.
Allerdings sehen einige Aufenthaltstitel Beschränkungen vor, in welche anderen Aufenthaltstitel ein Wechsel stattfinden kann. Dies gilt insbesondere für die Aufenthaltstitel für Ausbildung oder Studium: Vor Abschluss eines Studiums kann aus der Aufenthaltserlaubnis gem. 16b AufenthG beispielsweise nur ein Wechsel in diejenigen Aufenthaltserlaubnisse erlaubt werden, die in § 16b Abs. 4 AufenthG ausdrücklich vorgesehen sind. Diese Wechselmöglichkeiten sind jedoch durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zum Teil deutlich erweitert worden. Mehr
4. Weiterbildung „Pastoral in den Kontexten menschlicher Mobilität und Migration“
Die Theologische Fakultät der Universität Freiburg (CH) bietet einen Online-Studiengang „Pastoral in den Kontexten menschlicher Mobilität und Migration“ an. Unter anderem ist die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz an der Konzeption und Durchführung beteiligt. Zur Zielgruppe gehören kirchliche Mitarbeiter, die mit Migrationsfragen in Berührung kommen. Darüber hinaus kann der Studiengang generell für Haupt- und Ehrenamtliche aus den Bereichen Bildung, Soziales und internationaler Austausch von Interesse sein. Der Kurs beginnt im April 2021. Anmeldungen sind ab sofort möglich. Mehr
5. Berufsrelevante Kompetenzen bewerten und zertifizieren lassen
Menschen ohne formalen Berufsabschluss haben es oft schwer, ihre vorhandenen Kompetenzen nachzuweisen. Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere Geflüchtete, können besonders davon betroffen sein. Um in Zeiten des Fachkräftemangels dem entgegenzuwirken wurde im Rahmen des Projekts „ValiKom“ ein Verfahren entwickelt und erprobt, mit dem berufsrelevante Kompetenzen, die außerhalb des formalen Bildungssystems erworben wurden, bewertet und zertifiziert werden können. Das gilt auch für Personen, die außerhalb ihres erlernten Berufs arbeiten (Quereinsteiger) und ihr neues Knowhow zertifiziert wissen möchten. Das Anerkennungsverfahren ist unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Mehr
6. Ausweisung, Abschiebung, Überstellung – was steckt hinter den Begriffen?
In der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe sind Sie sicherlich mit Begriffen wie Ausweisung, Abschiebung, Überstellung, Zurückweisung, Zurückschiebung konfrontiert worden und haben sich gefragt, was genau damit gemeint ist. Und wenn Abschiebehaft dazukommt und zu unterscheiden ist, ob es sich um allgemeine Sicherungshaft oder Ausreisegewahrsam handelt, dann ist es gut jemanden zu fragen, der den Überblick hat. Hilfreich könnte auch ein Blick in ein Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung sein. Mehr
7. Welche Entwicklungen gab es in der Asylgesetzgebung der letzten Jahre?
In diesem Jahr blicken wir nicht nur auf 70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention zurück. Seit 2015/16 sind viele Haupt- und Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe Zeitzeugen wichtiger gesetzlicher Entwicklungen im Bereich Asyl- und Flüchtlingsrecht, die dieses Jahr ihren fünften Jahrestag haben. Dazu zählen unter anderem das „Asylpaket II“, das EU-Türkei-Abkommen, das Integrationsgesetz und das Rücknahmeabkommen mit Afghanistan. Rückblickend kann gesagt werden, dass sicherlich einige positive Entwicklungen zu verzeichnen sind. Die Verschärfungen überwiegen jedoch leider bei Weitem. Interessierte finden hier eine Übersicht aktueller Asylrechtsreformen, zusammengestellt durch den „Mediendienst Integration“.
8. Caritas-Studie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Pandemie
Die Caritas rückt die Bedeutung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes in den Blick. Die hat laut einer repräsentativen Befragung aus dem Dezember 2020 gelitten. Über die Hälfte der Befragten (52 Prozent) ist der Auffassung, dass die Corona-Pandemie den Zusammenhalt in der Bevölkerung geschwächt hat. Leitgedanke vieler Diskussionen scheine im Moment zu sein: Ich bin mir selbst der Nächste. Laut Caritas müssen wir uns als Gesellschaft grundlegende Fragen stellen: Welche Pflege wollen wir? Was ist uns soziale Sicherung, was ist uns Bildung wert? Soll die Unterstützung, die Menschen erfahren, von ihrer Postleitzahl abhängen? Und was sind wir bereit dafür zu tun, um künftigen Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen? Hoffnungsvoll stimmt die Caritas, dass 41 Prozent der Befragten der Aussage zustimmen: „Ich glaube, dass ich persönlich etwas zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen kann“. „Das machen wir gemeinsam“, lautet der Slogan der neuen Caritas-Kampagne in Deutschland
9. Verfassungsrichter bestätigen Härtefallregel für Flüchtlinge
Thüringens Härtefallkommission kann Flüchtlingen auch künftig eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gewähren. Das entschied der Verfassungsgerichtshof VerfGH 14/18 am 16.12.2020 in Weimar. Die Richter wiesen damit eine Klage der AfD-Landtagsfraktion ab, die die Zusammensetzung und Entscheidungsbefugnisse der Kommission infrage gestellt hatte. Die Verordnung für die Härtefallkommission verstoße nicht gegen die Verfassung. Die Härtefallkommission, die es auch in anderen Bundesländern gibt und der unter anderem Vertreter der Kirchen, der Landesärztekammer sowie der kommunalen Spitzenverbände angehören, kann für Ausländer ein Bleiberecht vorschlagen, auch wenn sie nach einer Behördenentscheidung eigentlich ausreisen müssten. Die Arbeit der Kommission basiert auf einer Bundesregelung im Aufenthaltsgesetz. Die Richter begründeten ihr Urteil vor allem damit, dass die Kommission lediglich Empfehlungen ausspreche, die Entscheidungen würden jedoch vom Migrationsministerium getroffen. Das Handeln der Härtefallkommission sei keine Ausübung von Staatsgewalt.
10. Initiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ auch für Menschen aus Landesunterkünften zu öffnen
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat in einem Schreiben an die LAG FW NRW mit Datum 24.11.2020 zugesichert zu prüfen, ob es möglich ist, „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ auch für Geduldete und Gestattete in Landeseinrichtungen zu öffnen. Die LAG FW NRW hatte auf die Problematik hingewiesen, dass die Corona-Pandemie zu Verzögerungen bei der Bearbeitung der Asylanträge geführt hat, so dass junge Menschen mit Duldung oder Gestattung nun länger als geplant in Landeseinrichtungen untergebracht sind und deshalb laut der bestehenden Förderrichtlinie von den Angeboten der Initiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ ausgeschlossen waren. Ziel der Landesinitiative ist es, dass die Teilnehmenden so früh wie möglich Zugang zu Sprachförderung erhalten, einen Hauptschulabschluss nachholen und berufsbegleitend qualifiziert werden. Zu klären seien Fragen der Größenordnung, der strukturellen Anbindung und einer konzeptionellen Umsetzung. Die finanziellen Mittel, die sich am Flüchtlingsaufnahmegesetz orientieren, seien den Kommunen bereits zugewiesen. Das Ministerium sei bei der Weiterentwicklung auf die Mitwirkung der Kommunen angewiesen.
11. Gemischte Bilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Unter deutscher Ratspräsidentschaft hat die EU eine wichtige Einigung zum Budget erzielt, in der Migrationspolitik wurden die Erwartungen allerdings nicht erfüllt. Das ist die gemischte Bilanz, die der Deutsche Caritasverband von den sechs Monaten deutscher EU-Ratspräsidentschaft zieht. "In der Asyl- und Migrationspolitik ist ein sichtbarer Schritt in Richtung Verständigung der EU-Mitgliedstaaten zu mehr Solidarität und geteilter Verantwortung ausgeblieben", so Caritas-Präsident Neher. "Stattdessen setzen die EU-Mitgliedstaaten weiterhin auf nationale Vorteile und zementieren damit menschenunwürdige Bedingungen an den Außengrenzen der EU. Im Jahr des Moria-Brands ist das sehr schmerzlich". Auch wenn das im September von der EU-Kommission vorgelegte EU Migrations- und Asylpaket im Wesentlichen enttäuschend ist, so enthält es doch auch ausbaufähige Punkte. Ein willkommenes Zeichen wäre auch, wenn Mitgliedstaaten mehr Menschen von den unhaltbaren und menschenunwürdigen Verhältnissen auf den griechischen Inseln befreien und aufnehmen würden.
12. "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften" sind die Unwörter des Jahres 2020.
"Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften" sind die Unwörter des Jahres 2020. Erstmals kürt die Jury gleich zwei Begriffe, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch abseits von Corona unangemessene Wörter geprägt wurden. Die Jury der "Sprachkritischen Aktion" hat die Begriffe "Rückführungspatenschaften" und "Corona-Diktatur" am 12.01.2021 zu den Unwörtern des Jahres 2020 gekürt. Der Begriff "Rückführungspatenschaften", ist ein Begriff der EU-Kommission in der Migrationspolitik. Er bezeichnet die Option für jene Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, stattdessen bei Abschiebungen jener zu helfen. Die Juroren kritisierten, dass das Wort zynisch und beschönigend sei. Mit Rückführung sei nichts anderes gemeint als Abschiebung und die Patenschaft sei ein eigentlich positiv besetzter Begriff.
13. Kindergeldanspruch für unbegleitete Minderjährige
Nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG erhält Kindergeld für sich selbst, wer Vollwaise ist oder den Aufenthaltsort seiner Eltern nicht kennt. Ein unbegleiteter Minderjähriger aus Ghana, begehrte – nachdem er zunächst über das Jugendamt Kassel als Vormund Kindergeld bezogen hatte - nunmehr selber das Kindergeld ausgezahlt zu bekommen. Die Familienkasse hat seine Intention abgelehnt, weil er angab, keine Kenntnis über den Aufenthaltsort seiner Eltern zu haben. Außerdem konnte er nicht nachweisen, Dritte, wie dem Suchdienst des DRK, mit der Recherche nach dem Aufenthaltsort der Eltern beauftragt zu haben. Das Sozialgericht Kassel hat am 20.08.2020 die oben genannte Begründung verworfen und die Familienkasse zur Zahlung von Kindergeld für den fraglichen Zeitraum verpflichtet (Az. S 11 KG 1/20).
14. Kirchenasyl: BAMF nimmt Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate zurück
Im Juni 2018 hatte die Innenministerkonferenz schärfere Maßnahmen gegen die Praxis des Kirchenasyls beschlossen. Daraufhin hatte das BAMF erklärt, die Überstellungsfrist in Dublin-Fällen von 6 auf 18 Monate zu verlängern. Die Dublin-III-Verordnung sieht zwar die Möglichkeit der Verlängerung auf 18 Monat vor, diese gilt jedoch dann, wenn die Ausreisepflichtigen untergetaucht oder flüchtig sind. Die Kirchen haben sofort diese Praxis als einseitig und unangemessen kritisiert. Außerdem könne man nicht Menschen, die sich in kirchlichen Räumlichkeiten befinden und deren Aufenthaltsort von Anfang an den Behörden mitgeteilt wird, als „flüchtig“ einstufen.
Wie mehrere Medien und die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ übereinstimmend berichten, hat das BAMF am 13.01.2021 mitgeteilt, ab sofort von dieser Praxis Abstand zu nehmen. Das Einsehen ist überwiegend auf ein einschlägiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.06.2020 zurückzuführen. Die neue Praxis ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt. Dennoch gibt es derzeit einige Unsicherheiten und offene Fragen was die Konsequenzen dieser Mitteilung angeht. Hier finden Sie das entsprechende Merkblatt des Bundesamtes. Unsere Handreichung zum Umgang mit Anfragen nach Kirchenasyl wird aktualisiert, sobald genauere Details mit den Vertretern der Kirchen erörtert wurden.
15. Jobcenter muss Kosten für Computer einer Schülerin übernehmen
Das Jobcenter muss in Zeiten ausfallenden Präsenzunterrichts die Kosten für einen internetfähigen Computer für eine Schülerin übernehmen, die Hartz-IV-Empfängerin ist. Das entschied das Thüringer Landessozialgericht in Erfurt am 08.01.2021. Die geltend gemachten Kosten stellten einen nach § 21 Abs. 6 SGB II anzuerkennenden unabweisbaren laufenden Mehrbedarf dar, der vom Regelbedarf nicht abgedeckt sei. Die Mutter des Mädchens, das die 8. Klasse besucht, hatte die Übernahme der Kosten für einen Computer nebst Zubehör sowie einen Drucker beantragt. Sie begründete dies damit, dass ihre Tochter nach der coronabedingten Schließung der Schule ohne ein internetfähiges Gerät nicht auf die Thüringer Schul-Cloud zugreifen und am Unterricht im heimischen Umfeld teilnehmen könne. Die Kosten seien auch nicht durch den Regelbedarf abgedeckt.
Dieser Auffassung schlossen sich die Richter des Landessozialgerichts an. Die Anschaffung sei mit der ab 16.12.2020 erfolgten Schließung des Präsenzunterrichts zur Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin auf Bildung und Chancengleichheit erforderlich geworden. Der Bedarf sei auch unabweisbar, denn im Haushalt sei bislang lediglich ein Smartphone vorhanden, das für den Zugriff auf die Schul-Cloud ungeeignet sei. Auch werde weder von der Schule noch von dritten Personen ein entsprechendes Gerät zur Verfügung gestellt. Per einstweiliger Anordnung verpflichteten die Richter daher das Jobcenter, der Klägerin die gewünschten Geräte zur Verfügung zu stellen oder ihr 500 Euro für den Kauf der Ausrüstung zu erstatten. Ohne Erfolg blieb die Klägerin mit der Forderung, ein bestimmtes Gerät zu einem höheren Preis von 720 Euro erwerben zu dürfen. Es gebe keinen Anspruch auf die bestmögliche Versorgung, sie müsse sich mit einem kostengünstigeren und gegebenenfalls gebrauchten Gerät zufriedengeben. LSG Thüringen, Beschluss vom 08.01.2021 - L 9 AS 862/20 B ER
16. Sozialamt muss Kosten für BAMF-Anhörungstermin übernehmen
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in einem Urteil vom 22. Oktober 2020 (L 8 AY 21/17) entschieden, dass das Sozialamt bei einer Asylsuchenden, die Analogleistungen nach § 2 AsylbLG bezieht, die Kosten für die Wahrnehmung des Anhörungstermins beim BAMF in Höhe von 191,25 Euro übernehmen muss. Die Frau lebte in Hildesheim, der Anhörungstermin fand in Ingolstadt statt. Rechtsgrundlage für die Kostenübernahme ist § 73 SGB XII i. V. m. § 2 AsylbLG.
Bei den geltend gemachten Kosten für Fahrt und Übernachtung handelt es sich nach Überzeugung des Senats um atypische, besondere Bedarfe, die jedenfalls in dieser Höhe nicht in den Mobilitätsbedarfen bzw. Beherbergungsbedarfen der Regelbedarfe enthalten ist. „Der Anspruch auf Kostenübernahme bezieht sich in der Rechtsfolge auf eine Geldleistung, die hier als Beihilfe zu gewähren ist. Das durch § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 73 Satz 2 SGB XII grundsätzlich eingeräumte Ermessen, Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen zu erbringen, ist entgegen der Auffassung des Beklagten auf Null reduziert.“
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Herausgeber: Josef Lüttig, Flüchtlingsbeauftragter
Redaktion: , Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn,
, Referat Migration, Asyl und Partizipation im Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e.V.