Dezember 2019
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor einigen Tagen bin ich zusammen mit Herrn Barjosef von einer Reise nach Syrien zurückgekehrt. Wir haben unsere Partner vor Ort, vor allem Sr. Annie Demerjian, besucht und an der Eröffnung einer Musikschule teilgenommen, die mit Mitteln des Caritasverbands finanziert wurde. Dort sollen Kinder und Jugendliche durch das Erlernen eines Instruments die Möglichkeit bekommen, die traumatischen Erlebnisse des Krieges zu bewältigen.
In diesen Tagen waren wir auch in der Umgebung von Damaskus unterwegs. Wir fuhren dabei durch Vororte, die völlig zerstört sind. Uns wurde damit deutlich vor Augen geführt: Die Sicherheitslage hat sich in vielen Teilen Syriens (nicht in allen!) deutlich verbessert in dem Sinne, dass keine Bomben und Granaten mehr fallen. Aber die Folgen des Krieges sind unverändert: Zerstörte Städte, zerstörte Wirtschaft, daher keine Wohnung und keine Arbeit – und wenn jemand Arbeit hat, dann reicht der Lohn oft nicht zum Leben.
Angesichts dieser Erfahrungen kann man sich nur über immer wieder vorgetragene Anträge wundern, deren Initiatoren Geflüchtete in diese Situation zurückschicken wollen. In diesem Kontext müssen wir auch weiter kritisch beobachten, wie Geflüchteten eine „freiwillige Rückkehr“ nahegelegt wird. Bei allem Positiven, Menschen eine Überbrückung bei der Rückkehr zu gewähren, bekommt man doch große Zweifel an der „Freiwilligkeit“.
Ihnen allen und den Menschen, für die Sie sich einsetzen, wünsche ich gesegnete Weihnachten und ein gutes neues Jahr.
Domkapitular Dr. Thomas Witt
Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen im Erzbistum Paderborn und Vorsitzender des Diözesan-Caritasrates für das Erzbistum Paderborn e.V.
1. Kostenlose Lerneinheiten zu "Weihnachten" und "Frohes neues Jahr"
Über das Ehrenamtsportal des Deutschen Volkshochschulverbandes lassen sich extra für Ehrenamtliche entwickelte Lerneinheiten zu den Themen "Weihnachten" und "Frohes neues Jahr" herunterladen. Es gibt viele Sprechanlässe und spielerische Aktivitäten rund um die beiden Feste 'Weihnachten' und 'Silvester'. Die Lerneinheiten können eingesetzt werden bei der Begleitung von Menschen, die neu in Deutschland sind und sowohl Sprache als auch Kultur kennenlernen möchten!
2. 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention -Flüchtlingskinder: Verloren, Verraten, Vergessen?
Drei Jahrzehnte nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention warnt das Kinderhilfswerk UNICEF vor Stagnation und Rückschritten – auch in Deutschland. Seit dem historischen Versprechen von 1989 an alle Kinder der Welt gebe es Anzeichen dafür, dass positive Entwicklungen stockten oder sich die Situation der Kinder sogar wieder verschlechtere, erklärte UNICEF Mitte November 2019. Sowohl in armen als auch in reichen Ländern habe sich trotz aller Verbesserungen in den vergangenen 30 Jahren die Kluft zwischen Kindern vergrößert, die gut gefördert und behütet aufwachsen, und jenen, die keine faire Chance auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben. Insgesamt können einzelne Verbesserungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rechte und Bedürfnisse von minderjährigen Kindern von Asyl- und Schutzsuchenden in Deutschland noch immer massiv vernachlässigt werden: Nach wie vor leben viele von ihnen in aufenthaltsrechtlich unsicherer Situation; beim Zugang zu Schutz und Hilfe und bei der Wahrnehmung ihrer Rechte nach der UN-Kinderrechtskonvention sind erhebliche rechtliche und tatsächliche Verschärfungen zu verzeichnen; noch immer gibt es gravierende Defizite bei behördlich angeordneten willkürlichen Altersfiktionen, geflüchtete Kinder können weiterhin in Abschiebungshaft kommen; Unterbringung und beschleunigte Verfahren in sog. Ankerzentren gefährden ihre ungehinderte Entwicklung und Integration; in vielen Bundesländern haben sie keinen Zugang zu Regelschulen während der Zeit in Aufnahmeeinrichtungen; die Ablehnungen von Familienzusammenführungen für Kinder und Jugendliche durch deutsche Behörden stellt eine schwerwiegende Verletzung einzelner Artikel der UN-Kinderrechtskonvention dar; und nach wie vor werden unbegleitete Minderjährige an der Grenze abgewiesen.
3. Rückkehrhilfen nicht ausschlaggebend
Die Entscheidung von Flüchtlingen, Deutschland wieder zu verlassen, hängt nicht davon ab, ob sie dafür mit Geld oder Sachleistungen unterstützt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie aus dem Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) von Ende November 2019. Hauptgründe für eine Ausreise sind der Studie zufolge der unsichere Aufenthalt in Deutschland und das Gefühl, hier nicht zu Hause zu sein. Rund 70 Prozent der an der Studie Beteiligten waren als Asylbewerber abgelehnt worden, 30 Prozent befinden sich noch im Verfahren. Nur vier Prozent erklärten, das Geld für die Rückkehr habe den Ausschlag für ihre Entscheidung gegeben. Untersucht wurde das Förderprogramm „StarthilfePlus“. Befragt wurden für die nicht repräsentative Studie 1.339 Personen, die zwischen Februar 2017 und April 2018 ausgereist waren. Die meisten, etwa ein Viertel, kehrten in den Irak zurück, an zweiter und dritter Stelle standen Russland und Afghanistan. Die Studie lieferte zum ersten Mal Daten über ein Rückkehr-Förderprogramm aus der Sicht der betroffenen Menschen: Nur 15 Prozent konnten den eigenen Angaben zufolge von ihren Einnahmen leben. Überbrückungshilfen am Anfang sind wichtig. Aber entscheidend ist, ob die Menschen eine langfristige Perspektive in ihrem Herkunftsland haben, damit sie nach der Rückkehr nicht in derselben Situation sind wie vorher.
4. Vermeintlich "freiwillige" Rückkehr und die Verantwortung für die ggf. dramatischen Folgen im Einzelfall
Ende November 2019 informierte PRO ASYL e.V. über eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Frage vermeintlich "freiwilliger" Rückkehr und der Verantwortung für die ggf. dramatischen Folgen im Einzelfall: Nach seiner „freiwilligen Rückkehr“ aus Finnland wurde ein Iraker erschossen. Die Todesgefahr hatte Finnland im Asylverfahren nicht erkannt. Damit stand der Mann vor der Wahl: Entweder er geht, oder er wird abgeschoben. Deswegen sei die Rückkehr nicht freiwillig und Finnland verantwortlich, urteilte der EGMR. In dem Fall sei klar, dass der Vater Finnland nicht verlassen hätte, wäre er nicht ausreisepflichtig gewesen. Die Entscheidung sei nicht seinem freien Willen entsprungen. Es war lediglich eine Wahl zwischen einer Abschiebung und einer von der Internationalen Organisation of Migration organisierten Rückkehr. Auf diese Art der Rückkehr setzt auch Deutschland. Es ist fragwürdig, ob eine suggerierte Freiwilligkeit unter starker psychischer Belastung überhaupt gegeben sein kann. Das oben erwähnte Urteil macht klar, dass Staaten auch beim Instrument der Rückkehr ihre Schutzverantwortung nicht vernachlässigen dürfen, und dass der Staat die Qualität der Asylverfahren sicherstellen muss.
5. Woher kommt diese Verachtung für alles, was als fremd und schwach empfunden wird?
Was ist eigentlich Faschismus? Woher kommt diese Verachtung für alles, was als fremd und schwach empfunden wird? Wie kann es sein, dass Menschen sich für Faschismus begeistern? Ein Comiczeichner und eine Geschichtsdozentin wollen gemeinsam verdeutlichen, was Faschismus ist, wie er entsteht und wie er bereits in einer frühen Phase erkannt werden kann. Alle faschistischen Ideologien gingen und gehen von derselben Idee und Weltanschauung aus. Um den Faschismus und seine heutigen Vertreter zu verstehen, ist es notwendig, seinen Ursprung, seinen Kern und seine Entwicklung zu kennen. So ist der Comic „Was ist eigentlich Faschismus?“auch ein Appell, den Anfängen zu wehren. Der Comic ist Band 10369 in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung.
6. Berliner Aktionsplan für eine neue europäische Asylpolitik
Im Rahmen einer Veranstaltung vom 24. – 26.11.2019 zur europäischen Asyl- und Migrationspolitik „For a new start in European asylum and migration policy“ hat ein Bündnis von zivilgesellschaftlichen Akteuren aus Deutschland, Frankreich, Polen, Italien und weiteren EU-Mitgliedstaaten, dem auch der Deutsche Caritasverband angehört, den Berliner Aktionsplan für eine neue europäische Asylpolitik verabschiedet. Die beteiligten Organisationen fordern mit dem Aktionsplan einen Neuanfang in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. Hierzu wurden von den Unterzeichnern fünf Themen als Prioritäten für eine neue europäische Asyl- und Migrationspolitik festgelegt, die berücksichtigt werden sollten, um den aktuellen Herausforderungen unter Einhaltung der Menschenrechtsstandards in Europa zu begegnen. Die fünf Themen sind: Einhaltung der bestehenden EU-Asylgesetze, Neuanfang für die Aufteilung der Verantwortung in der EU, EU-weit gültiger Status für Flüchtlinge, ein vorübergehendes EU-Relocation-Programm und besser zugängliche EU-Mittel für zivilgesellschaftliche Organisationen und Kommunen.
7. Hinweise auf hilfreiche Materialien im Migrationsbereich
Gesundheitsförderung mit Geflüchteten - Der Partnerprozess „Gesundheit für alle“ hat zum Ziel, die Kommunen zu einem guten und gesunden Ort für alle zu machen. Im Fokus stehen dabei Menschen in schwieriger Lebenslage. Eine besonders vulnerable Gruppe sind auch geflüchtete Menschen. Angebote der Gesundheitsförderung und der Prävention müssen Geflüchtete vermehrt berücksichtigen, um auch ihnen ein gesundes Leben in der neuen Heimat zu ermöglichen. Auf der Seite werden Informationen rund um das Thema kommunale Gesundheitsförderung und Prävention mit geflüchteten Menschen gesammelt.
Gesundheitsförderung für sog. Menschen mit Migrationshintergrund - In Deutschland leben rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Dies berücksichtigt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) bei allen Maßnahmen, die sich an die gesamte Bevölkerung richten. Mehr dazu hier. Zur Überwindung von speziellen Zugangsbarrieren (insbesondere sprachlicher und kultureller Art) oder bei besonderem Bedarf können Migranten am besten durch personalkommunikative Angebote vor Ort angesprochen werden. Deshalb unterstützt die BZgA Schlüsselpersonen, die Zugang und Vertrauen zu diesen Zielgruppen haben, mit Multiplikatorenmedien für Beratungssituationen und fremdsprachlichen bzw. bilingualen Materialien zur Weitergabe an Endadressatinnen und Endadressaten. Die BzgA bietet zu einer Reihe von Themen Basisbroschüren für Bürgerinnen und Bürger aus anderen Herkunftsländern in insgesamt ca. 30 Sprachen an. Außerdem gibt es Materialien für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. In der Übersicht sind die Materialien nur mit ihrem Titel aufgeführt. Nach einem Anklicken gibt es nähere Informationen zum Inhalt und zur aktuellen Verfügbarkeit der Printversionen, die dann direkt online bestellt werden können. Dort können auch fast alle (auch die nicht mehr in Papierform lieferbaren) Titel heruntergeladen werden. Die Themenbereiche sind: Allgemeiner Infektionsschutz (Impfen, Hygiene), Kinder und Jugendliche HIV/STI-Prävention, Sexualaufklärung und Familienplanung, Suchtprävention, Organspende
8. Informationsblatt für Geflüchtete, die nach Bulgarien rücküberführt werden
Das Raphaelswerk hat ein neues Informationsblatt für Geflüchtete, die nach Bulgarien rücküberstellt werden, herausgegeben. Die Orientierungshilfe richtet sich an Beraterinnen und Berater, ehrenamtliche Unterstützungskreise und Betroffene. Sie soll bestehende Angebote, Verfahrenswege und Kontaktstellen in Bulgarien aufzeigen, um Rücküberstellte nicht ohne jegliche Information zu lassen. Außerdem sind dort die Informationsblätter zu Dänemark und Schweden in englischer Übersetzung eingestellt. Weitere englische Übersetzungen (Spanien, Polen und Bulgarien) sowie aktualisierte Versionen der Länderinformationsblätter Spanien und Polen folgen in Kürze. Die Informationsblätter sind auf der Webseite des Raphaelswerks unter „Downloads“ abrufbar
9. Menschen stärken Menschen" - Bürgerschaftliches Engagement in Form von Patenschaften
Das Bundesfamilienministerium (BMFSJ) fördert und unterstützt mit dem Bundesprogramm "Menschen stärken Menschen" bürgerschaftliches Engagement in Form von Patenschaften. Bei den Patenschaften sollen persönliche Beziehungen Türen zu gleichberechtigter Teilhabe öffnen. Die Patenschaften reichen von niedrigschwelliger Alltagsbegleitung über die Erschließung des Sozialraums oder Hausaufgabenbetreuung bis hin zu hochwertigen Bildungsmentorenschaften, um Schulabschlüsse zu erreichen. Bei den geförderten Patenschaften kann es sich um 1:1-Beziehungen, Familienpatenschaften oder Patenschaften für sogenannte Übergangsklassen handeln. Informationen zu dem Programm "Menschen stärken Menschen" und zu den Organisationen, die es mittragen, finden Sie hier.
10. Verlängerung des Abschiebestopps für Flüchtlinge nach Syrien
Die Innenminister aus Bund und Ländern haben am 04.12.2019 eine Verlängerung des Abschiebestopps für Flüchtlinge nach Syrien bis 30. Juni 2020 beschlossen. Auf ihrer Herbstkonferenz forderten sie die Bundesregierung auf, bis Frühjahr 2020 die Lagebewertung in Syrien fortzuschreiben. Zudem müssten die Voraussetzungen geschaffen werden für die Rückführung bestimmter Personengruppen wie Gefährder und Straftäter. Der Abschiebestopp nach Syrien war in den vergangenen Jahren immer wieder verlängert worden und wäre zum Jahresende ausgelaufen. Im Vorfeld hatten unter anderem Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen eine Verlängerung eingefordert und verwiesen darauf, das deutsche Recht und internationale Abkommen würden die Abschiebung in ein Land verbieten, in dem eine Gefahr für Leib und Leben oder Folter drohe. Das gelte auch für Straftäter. Die Innenminister hatten sich dennoch zu Beginn der Konferenz grundsätzlich darauf geeinigt, schwere Straftäter auch nach Syrien abschieben zu wollen. Daran gab es deutliche Kritik. Außerdem gibt es Zweifel an der Machbarkeit von Abschiebungen nach Syrien. Zur nächsten Konferenz im Sommer 2020 soll das Auswärtige Amt die Lage in Syrien erneut bewerten
11. Weiterbildungsstudiengang (CAS) „Pastoral in den Kontexten menschlicher Mobilität und Migration“ für Haupt- und Ehrenamtliche
Die Frage nach dem Umgang mit Migration und Pluralität hat in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche. Ab dem kommenden Jahr bietet die Theologische Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) den onlinebasierten Weiterbildungsstudiengang (CAS) „Pastoral in den Kontexten menschlicher Mobilität und Migration“ an. Die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und die Dienststelle „Migratio“ der Schweizer Bischofskonferenz waren an der Konzeption dieses berufsbegleitenden Studiengangs beteiligt. Zur Zielgruppe gehören kirchliche Mitarbeiter, die mit Migrationsfragen in Berührung kommen. Darüber hinaus kann der Studiengang generell für Haupt- und Ehrenamtliche aus den Bereichen Bildung, Soziales und internationaler Austausch von Interesse sein. Unter ) steht bei Fragen Herr Schafer vom Lehrstuhl für Pastoraltheologie an der Universität Freiburg (Schweiz) zur Verfügung.
12. Seminarprogramm 2020 der Friedrich-Ebert-Stiftung NRW in der Arbeit mit Geflüchteten
Das Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung bietet im Jahr 2020 eine Reihe von Seminaren an, in denen sich Personen, die Geflüchtete unterstützen, fortbilden und austauschen können. Ab sofort können alle Termine auf der Webseite zum Thema abgerufen werden. Im Angebot befinden sich folgende Seminarthemen: Grundlagen zu verschiedenen Fragen des Aufenthaltsrechts, Grundlagen der Arbeitsmarktintegration für Geflüchtete, Gesundheit nach Fluchterfahrung, Seminare zum Austausch in bestimmten Themengebieten. Die Seminare sind für ehrenamtlich Helfende in der Arbeit mit Geflüchteten konzipiert. Hauptamtliche wenden sich bei Interesse mit einem Hinweis auf Ihre Tätigkeit bitte vor einer Anmeldung an die Friedrich-Ebert-Stiftung. Für die ersten beiden Seminare sind jeweils das Programm und der Anmeldebogen eingestellt, weitere folgen. Ab 2020 erfolgt die Anmeldung ausschließlich mit dem Anmeldebogen an die dort angegebene Adresse:
Herausgeber: Domkapitular Dr. Thomas Witt
Redaktion:, Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn,
, Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e.V.