August 2023

1. Digitaler Austausch mit dem Flüchtlingsbeauftragten

Vor den Sommerferien hat der Flüchtlingsbeauftragte die hauptamtlichen Vertreter*innen verschiedener Dienste und Einrichtungen in Präsenz getroffen. Das neugegründete Netzwerk „Austauschforum Flucht (AFF)“ wird sich zweimal im Jahr treffen, um auf Bistumsebene für Austausch und Vernetzung zu sorgen. Parallel dazu soll ein digitaler Austausch von Ehrenamtlichen mit dem Flüchtlingsbeauftragten und unter einander initiiert werden. Interessierte können sich bis Ende September beim Vorstandsekretariat melden und in den Verteiler aufnehmen lassen. E-Mail:

2. Fachkräfteeinwanderungsgesetz ermöglicht Spurwechsel

Der Bundestag hat am 23.06.23 Änderungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) beschlossen. Wenige Tage später, am 07.07.23, hat auch der Bundesrat dem Vorhaben zugestimmt und die Änderungen wurden am 16. August im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Dadurch ist für viele Asylsuchende die Möglichkeit eines sogenannten Spurwechsels geebnet worden. D.h. sie können ihr laufendes Asylverfahren beenden und einen Aufenthaltstitel erhalten, der sie zur Aufnahme einer Tätigkeit berechtigt. Auch Auszubildende gehören zu möglichen Nutznießern der neuen Änderungen. Sie erhalten für die Dauer der Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis anstatt der bisherigen Ausbildungsduldung. Die Änderungen in den einschlägigen Gesetzen treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft.

Wesentliche Inhalte:

  • IT-Fachkräfte, die bestimmte Qualifikationen nachweisen können, benötigen keinen Hochschulabschluss mehr. Für sie ergeben sich wesentliche Änderungen bei der Blauen Karte. Das Gesetz tritt am 18.11.23 in Kraft
  • Asylsuchende, die vor dem 29.03.2023 eingereist sind und eine qualifizierte Tätigkeit in Aussicht haben, können ihr Asylverfahren beenden und der Tätigkeit nachgehen (Spurwechsel). Die Änderung tritt am 01.03.2024 in Kraft.
  • Einführung einer Chancenkarte, die auf ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild basiert. Ausschlaggebend bei der Punktevergabe sind Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. Die Änderung tritt zum 01.06.24 in Kraft.

3. Mentorengruppe aus Unna beim bundesweiten NesT-Treffen in der kanadischen Botschaft dabei

Laut UNHCR benötigen mehr als 2 Millionen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge weltweit eine Aufnahme in einem Drittland als in ihrem Erstzufluchtsstaat. Auch Deutschland beteiligt sich am entsprechenden Aufnahmeprogramm, dem Resettlement. Es ermöglicht besonders schutzbedürftigen Personen die legale und sichere Einreise. Als ein zusätzliches humanitäres Aufnahmeprogramm zum Resettlement dient das relativ kleine Projekt „Neustart im Team – NesT“ (www.neustartimteam.de). Das Besondere daran ist, dass hierbei die Bundesregierung und Zivilgesellschaft Hand in Hand arbeiten. So verpflichtet sich eine sogenannte Mentorengruppe im Vorfeld ein Jahr lang den Integrationsprozess zu begleiten, um für optimale Bedingungen der Integration und Aufnahme in die Gesellschaft zu sorgen. Im Erzbistum Paderborn hat sich bereits 2021 in Unna das Projekt „UNser NesT“ gegründet und mit einer Mutter und ihren fünf Kindern wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Kanada ist sehr erfahren in der Aufnahme und Integration zugewiesener Geflüchteter. So kam es, dass in der Botschaft von Kanada in Berlin jetzt ein erstes Zusammentreffen aller NesT-Akteure deutschlandweit stattgefunden hat. „UNser NesT“ war mit mehreren Personen dabei. Intention dieses Treffens war es, jeder Mentorengruppe, die anwesend war, endlich einmal Dank zu sagen und deren ehrenamtliches Engagement zu würdigen. Vor Ort waren auch die Partner, die gemeinsam das NesT- Programm tragen: Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (IntB), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die drei Zivilgesellschaftlichen Koordinierungsstellen (ZKS), von denen eine beim Deutschen Caritasverband angesiedelt ist. Die Erkenntnisse, Anregungen, Wünsche und Fragen aus den anwesenden 15 Mentorenteams stießen auf ebenso aufmerksame wie kompetente Gesprächspartner*innen.

In einem zweiten Fall im Erzbistum Paderborn ist das „Nest“ hergerichtet und die Engagierten, bestehend aus Mitarbeitenden des DiCV und Ehemaligen des EGV, warten mit Spannung auf die Mitteilung, wann sie „ihre“ Familie abholen dürfen.

4. Tabubruch: Kirchenasyl bei Nettetal gewaltsam aufgelöst

Seit 2015 gibt es ein Abkommen zwischen dem BAMF und den beiden großen Kirchen. Es sieht vor, dass in begründeten Ausnahmefällen zur Vermeidung von besonderen humanitären Härten eine lösungsorientierte Einzelfallprüfung im Rahmen des rechtlich Möglichen stattfindet. Das Abkommen  basiert auch darauf, dass die Behörden den Schutzraum von Geflüchteten in Kirchenräumen in der Regel respektieren. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre mit dieser Praxis sind letztendlich positiv (gewesen). In fast allen Fällen konnte für die Menschen, die ins Kirchenasyl aufgenommen wurden, anschließend eine Perspektive gefunden werden. Entgegen aller Vereinbarungen haben Mitarbeitende der Ausländerbehörde Viersen am 10. Juli 2023 bei Nettetal ein Kirchenasyl gewaltsam beendet. Dort befand sich ein kurdisches Ehepaar aus dem Irak in der evangelischen Kirchengemeinde im Kirchenasyl, um nicht zum zweiten Mal nach Polen überstellt zu werden. Dort hatte das nach Angaben des Unterstützerkreises schwertraumatisierte Paar bereits über längeren Zeitraum inhumane Behandlung erfahren. Das Ehepaar sollte trotzdem vom Flughafen Düsseldorf aus nach Polen abgeschoben werden, hatte jedoch Glück im Unglück. Die Frau erlitt während des Abschiebeversuchs einen Zusammenbruch, weshalb die Bundespolizei die Aktion abbrach. Nach massiver Kritik hat die Viersener Bürgermeisterin am selben Tag die Aussetzung des Vollzugs angeordnet und am nächsten Tag ist die laut Dublin-Verordnung vorgesehene Frist von sechs Monaten abgelaufen. Nun kann das Ehepaar ein Asylverfahren in Deutschland durchlaufen.

5. EuGH-Urteil zu straffälligen Geflüchteten

Bei besonders schweren Straftaten kann der Flüchtlingsschutz aberkannt werden, so das EU-Recht. Bisher fehlte es jedoch an einer einheitlichen Regelung, wie die Aberkennung zu laufen hat. In drei Verfahren aus Belgien, Österreich und den Niederlanden hat der EuGH für mehr Klarheit gesorgt - und dabei die Messlatte ziemlich hoch gehängt. Demnach müssen zusätzlich zur Straftat weitere Bedingungen erfüllt sein, um im jeweiligen EU-Land zugesprochenen Schutz zurücknehmen zu können. Die Richter in Luxemburg entschieden, dass neben der Verurteilung wegen einer besonders schweren Straftat geklärt werden muss, ob von der verurteilten Person eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Außerdem müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Mehr

6. Untervermietung gegen den Willen der Vermieterin

Nach Überzeugung des Landgerichts Berlin darf eine Mieterin auch gegen den Willen der Vermieterin eine dritte Person in ihre Wohnung aufnehmen. Im konkreten Fall ging es darum, dass die Mieterin in ihrer 85 qm großen 3-Zimmerwohnung aus humanitären Gründen ein Zimmer an eine Ukrainerin vermieten wollte. An sich hatte die Vermieterin zwar nichts dagegen, wollte aber bei der Gelegenheit durch eine Änderung im Mietvertrag auf Indexmiete umstellen. Die Klage auf Zustimmung war erfolgreich. Nach Auffassung des Gerichts darf die Mieterin gerade in der eigenen Wohnung ihr Leben nach ihren Grundüberzeugungen ausrichten (Az. 65 S 39/23).

7. LSG Niedersachsen-Bremen: Sozialamt muss die OP-Kosten eines minderjährigen Asylbewerbers übernehmen

Mit dem Beschluss vom 20.06.2023 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen den zuständigen Landkreis dazu verpflichtet, die Kosten einer OP bei einem Kind georgischer Asylsuchender zu übernehmen. Diese sind 2022 nach Deutschland gekommen, um ihrem chronisch schwererkrankten Kind eine medizinische Versorgung sicherstellen zu können. Ihre Asylanträge sind abgelehnt, das Klageverfahren ist noch anhängig. Der Kostenträger hatte die Kostenübernahme abgelehnt mit der Begründung die Behandlung sei für die Sicherstellung der Gesundheit nicht unerlässlich, zumal die Familie ausreisepflichtig sei und bald das Land verlassen müsse. Bereits das SG Braunschweig als Vorinstanz hatte die Kostenübernahme von ca. 17.000 € bejaht. Nun hat auch das LSG seine positive Einstellung pro medizinische Behandlung bei Minderjährigen nach dem AslybLG bestätigt (Az. L 8 AY 16/23 B ER).

8. Gemeinsame Website der Trägerverbände der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer

Eine Information, die für Geflüchtete außerhalb des Asylverfahrens von Relevanz ist: Über die neue Website www.migrationsberatung.org sind die bundesweiten Integrationsberatungsangebote der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege (Präsenz- und Onlineberatung) zentral zu erreichen. Die Website richtet sich an zwei Zielgruppen:

Zum einen wird die Politik, Fachöffentlichkeit und Fachpersonal bundesweit adressiert. Diese Zielgruppe soll sich über das Angebot der MBE (Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer) informieren können, sodass die Möglichkeit der Bewertung wesentlicher Leistungsmerkmale und eventueller Kooperationen gegeben ist.

Zum anderen wendet sich die Website an Ratsuchende im Inland. Von dieser Zielgruppe soll die MBE als ein für Ratsuchende kostenloses und von staatlichen Einrichtungen unabhängiges Beratungsangebot erkannt werden. Zugleich soll sie einschätzen können, ob sie mit ihren Beratungsanliegen bei den MBE richtig aufgehoben ist oder ob ggf. eine andere Beratungsstruktur für sie infrage kommt. Mit der Website soll somit ein weiterer Zugang zu den Angeboten der Migrationsberatung geschaffen werden.

9. Interkulturelle Woche 2023

Die Interkulturelle Woche findet vom 24. September bis 01. Oktober statt und widmet sich dem Thema „Neue Räume“. Das Motto möchte zu Assoziationsketten einladen, die die Ziele der Interkulturellen Woche abbilden.

„Neue Räume öffnen, gestalten, schaffen, verbinden, nutzen oder betreten. Es geht um die Forderung nach neuen Räumen und um das Erkennen von neuen Räumen. Wer hat Zugang, wer bleibt ausgeschlossen und warum? Und braucht es immer neue Räume oder vielleicht auch die Bereitschaft zur Wahrnehmung der bereits erkämpften?“ Mehr

Eine bundesweite Eröffnung der Interkulturellen Woche findet am 24. September 2023 in Bottrop statt. Im Gemeinsamen Wort der Kirchen zur Interkulturellen Woche rufen Präses Anette Kurschus, Bischof Dr. Georg Bätzing und Metropolit Dr. h.c. Augoustinos zu einem respektvollen und gleichberechtigten Zusammenleben auf: "Niemand hat das Recht, einem anderen Menschen den Raum zu einem Leben in Würde streitig zu machen." Der gesamte Text kann hier eingesehen werden.

Sollten Sie sich an der Interkulturellen Woche beteiligen wollen, finden Sie hier entsprechendes Material. Der Aktionsumschlag enthält u.a. Aktionsplakate, die gestaltet werden können sowie ein Kartenspiel, das zum Austausch über die Bedeutung und Vielschichtigkeit von Räumen animiert. Viele Motive und weitere Elemente für die Öffentlichkeitsarbeit stehen kostenfrei zum Download zur Verfügung.

10. Ehrenamtskongress des Flüchtlingsrats NRW in Dortmund

Angesichts flüchtlingspolitischer Verschärfungen und einer gesellschaftlichen Solidaritätskrise stehen Schutzsuchende und ihre ehrenamtlichen Unterstützerinnen derzeit vor großen Herausforderungen. Der Ehrenamtskongress des Flüchtlingsrates soll Engagierten ein Forum bieten, um sich zu informieren, auszutauschen zu vernetzen – und damit Haltung gegen Fremdenfeindlichkeit und Abschottungsmentalität zu zeigen. Im Anschluss an zwei Einführungsvorträge sollen dabei in diversen Workshops zentrale Themen der praktischen Flüchtlingssolidaritätsarbeit behandelt werden. Stattfinden wird der Ehrenamtskongress am 07.10.2023, 10:00 - 16:30 Uhr, in der Auslandsgesellschaft Dortmund (Steinstraße 48, 44147 Dortmund). Mehr

11. Interreligiöses Dialogprojekt: Einladung zum Fachtag in Berlin

Das jüdisch-christlich-muslimische Dialogprojekt „Weißt du, wer ich bin?“ ist Anfang des Jahres in eine neue Runde gestartet (2023-2025). Interreligiöse Initiativen in den Bereichen Dialog, Bildung und Integration können eine Förderung von bis 15.000 Euro beantragen. Mehr. In der aktuellen Projektphase liegt ein inhaltlicher Schwerpunkt auf den Themen Antisemitismus, (antimuslimischer) Rassismus und Religionsfeindlichkeit. Interessierte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind herzlich zum Fachtag des Projektes eingeladen. Dieser findet am 20. November 2023, 14.00 - 19.00 Uhr, in der Evangelischen Akademie Berlin statt. Das Projekt wird vom Sekretariat der DBK unterstützt.

12. Best Practice: Polizei und Geflüchtete im Dialog

„Polizei und Geflüchtete im Dialog“ lautet der Titel eines Kooperationsprojektes aus München und Augsburg. Das Projekt hat zum Ziel, das Vertrauen zwischen der Deutschen Polizei und Geflüchteten nachhaltig zu stärken. Das soll in erster Linie durch das gegenseitige Kennenlernen auf menschlicher Ebene und durch gemeinsame Erlebnisse gelingen. Klingt einfach? Ist es aber nicht. Denn Vertrauensaufbau ist ein vielschichtiger Prozess, der nicht nur reichlich Geduld, sondern auch viel guten Willen erfordert – und zwar von beiden Seiten aus. Mehr

13. Geflüchtete aus der Ukraine: Knapp die Hälfte beabsichtigt langfristig in Deutschland zu bleiben

Zum zweiten Mal wurden Ukrainerinnen und Ukrainer, die aufgrund des russischen Angriffskriegs geflüchtet sind, zu ihrer Lebenssituation in Deutschland befragt. Zentrale Ergebnisse sind: Zu Beginn des Jahres 2023 beabsichtigt fast die Hälfte der Befragten längerfristig in Deutschland zu bleiben. Die Zahl der Erwerbstätigen ist gegenüber dem Spätsommer 2022 leicht gestiegen, die Erwerbsabsichten derer, die bisher nicht arbeiten, sind hoch. Ein Großteil der Geflüchteten lebt in privaten Unterkünften. Bei den geflüchteten Kindern und Jugendlichen lässt sich eine leichte Verbesserung des psychischen Wohlbefindens feststellen. Die Studienautorinnen und -autoren appellieren an die Politik, zügig Klarheit über künftige Aufenthaltsperspektiven zu schaffen. Mehr

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Herausgeber: Ralf Nolte, Flüchtlingsbeauftragter

Redaktion: Hezni Barjosef, Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn,