Wer ist Flüchtling?

Umgangssprachlich sind alle Menschen, die aus ihrem Heimatland fliehen, Flüchtlinge. Rechtlich ist es komplizierter. Sind Flüchtling und Asylbewerber das gleiche? Oft werden die Begriffe synonym benutzt. Doch es gibt kleine, aber wichtige Unterschiede und - rechtlich gesehen - sogar verschiedene Arten von Flüchtlingen. Und was sind denn eigentlich genau Migranten?

Im Interesse der Klarheit unterscheidet das Recht – und sollte auch die Flühtlingssozialarbeit - zwischen Flüchtlingen und solchen Migranten, die nicht unter diesen Begriff fallen. Rechtlich wird „Flucht“ an einer Gefahr für Leib und Leben oder für ein wichtiges Rechtsgut (Menschenrechte) festgemacht, die von Menschen in Form von kriegerischer Gewalt oder politischer Verfolgung ausgeht. Nur diese Form der Flucht gibt bestimmte, in internationalen Abkommen festgelegte Rechte. Die Anerkennung als Asylberechtigter nach dem Grundgesetz oder als Flüchtling im Sinne der Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention begründet einen Anspruch auf Aufenthalt und schützt vor Abschiebungen. Staatlicher Schutz und staatliche Leistungen (schulische Bildung, Zugang zu regulierten Arbeitsmärkten, Zugang zu Sozialleistungen usw.) können nach der Anerkennung eingefordert werden.

Flucht ist eine besondere Form der Migration. Sie ist nicht freiwillig. Das ließe sich bis zu einem bestimmten Punkt auch über Menschen sagen, die vor Armut, vor Naturkatastrophen oder vor dem Klimawandel „fliehen“. Diese Formen der Flucht führen aber zumeist zu Binnenmigration wie z.B. die Landflucht. Für viele ist Flucht ein Synonym für Migration – das ist z.B. in den Medien und oft auch in der Politik zu spüren. Aber auch in Diskussionen vor Ort wird fast immer auf Flüchtlinge fokussiert und dann z. B zwischen echten und unechten Flüchtlingen unterschieden. Oder es wird von illegalen Flüchtlingen gesprochen, von Armuts-, Umwelt oder Wirtschaftsflüchtlingen etc. Für viele Migrant(inn)en stellt sich der Weg über ein Asylverfahren als einzige Möglichkeit dar, in eines der wohlhabenden Länder wie z.B. Deutschland zu gelangen. Ob jemand als Flüchtling anerkannt wird, entscheidet sich erst im Rahmen des Asylverfahrens in Deutschland.

 

Ein Migrant ist im Prinzip jeder, der an einen anderen Ort zieht, innerhalb eines Landes oder über Staatsgrenzen hinweg. Migration ist jede Form von Wanderung, sei sie temporär oder auf Dauer angelegt, sei sie zum Zweck der Familienzusammenführung, der Arbeitsaufnahme oder des Studiums. Genau genommen sind also auch Flüchtlinge Migranten. Meist ist aber von Migration die Rede, wenn jemand das Land verlässt, um seine Lebensbedingungen zu verbessern und nicht, weil er in seinem Heimatland in Gefahr ist. Migration geschieht vorwiegend aus wirtschaftlichen, politischen Gründen oder beispielsweise wegen der Aussicht auf einen besser bezahlten Job. (zurück zur Übersicht)

 

Asylsuchende / Asylbewerber sind Ausländer, die Schutz als politisch Verfolgte oder Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat beantragen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit wegen ihrer Rasse, Religion,Natiolnaltät, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung bedroht ist. Kommt ein Mensch nach Deutschland, um Asyl zu suchen, heißt er "Asylsuchender". Sobald er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asyl beantragt, wird er zum "Asylbewerber". Das BAMF bearbeitet ihre Anträge individuell. Sie müssen schildern, wie und warum sie verfolgt werden. Anhand von Länderdossiers beurteilt das BAMF dann, ob ein Bewerber asylberechtigt ist, ob er den Flüchtlingsstatus erhält oder ob ihm beides verweigert wird. Bis zum Abschluss des Verfahrens gelten sie als Asylbewerber. Abhängig von der Herkunft ergeben sich Rechte und Pflichten. (zurück zur Übersicht)

 

Flüchtlinge sind

  1. Asylberechtigte nach Artikel 16a des Grundgesetzes. Das Recht auf Asyl ist in Artikel 16a des Grundgesetzes geregelt. Asyl steht allen Menschen zu, die politisch verfolgt werden. Das bedeutet, dass sie von ihrem Staat wegen ihrer politischen Überzeugung so stark ausgegrenzt werden, dass ihre Menschenwürde verletzt ist. Allgemeine Notsituationen wie Armut oder Bürgerkrieg berechtigen hingegen nicht zu Asyl.
  2. Asylberechtige nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Als Flüchtlinge werden nicht nur politisch Verfolgte anerkannt, sondern auch Menschen, denen wegen ihrer Rasse, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in ihrem Heimatland Gefahr droht. Anders als bei Asylberechtigten nach Artikel 16a des Grundgesetzes muss diese Gefahr nicht vom Staat ausgehen, sondern kann auch von Parteien oder Organisationen stammen. Mittlerweile sind die Regelungen identisch Die Bezeichnung "Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention" erhalten diese Personen im Anschluss an ein positives Asylverfahren. Sie werden dann auch als Asylberechtige bezeichnet und genießen Schutz auf der Basis nationaler Rechtsvorschriften und internationaler Bestimmungen, wie der Genfer Flüchtlingskonvention.

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Für diejenigen, die weder als Flüchtling anerkannt werden noch Asyl erhalten, gibt es noch die Möglichkeit des subsidiären (vorübergehenden) Schutzes. Dieser Aufenthaltsstaus wird Menschen gewährt, wenn ihnen im Heimatland Folter, Todesstrafe oder große Gefahr und die Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohen. Dann gilt ein Abschiebungsverbot und der Betroffene darf Deutschland bleiben. In jedem Asylverfahren wird automatisch auch geprüft, ob eine dieser Gefahren vorliegt. (zurück zur Übersicht)

 

Wer als abgelehnter Asylbewerber keine Aufenthaltserlaubnis bekommt, wem also kein Asyl gewährt wird, der muss das Land wieder verlassen. Ihm droht die Abschiebung. Lässt sich eine Abschiebung nicht durchführen, weil es rechtliche oder tatsächliche Hindernisse gibt, wird der Aufenthalt "geduldet". Kann ein Mensch aber gerade nicht abgeschoben werden, weil er beispielsweise keinen Pass hat oder krank ist, darf er vorläufig bleiben. Der abgelehnte Asylbewerber mit Duldung bleibt verpflichtet auszureisen. Sein Aufenthalt bleibt rechtswidrig, ist aber nicht strafbar. (zurück zur Übersicht)

 

Kontingentflüchtlinge sind Flüchtlinge aus Krisenregionen, die im Rahmen von humanitären Aufnahmeprogammen des Bundes und von Bundesländern in Deutschland aufgenommen werden. Unabhängig von einem Asylverfahren entscheidet die Bundesregierung in besonderen Fällen, Kontingente von Flüchtlingen aufzunehmen. In den letzten Jahren gab es zum Beispiel Kontingente für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Kontingentflüchtlinge unterliegen nicht den normalen Zugangsbeschränkungen von Asylbewerbern. Sie müssen kein Asylverfahren durchlaufen, sondern erhalten direkt eine Aufenthaltserlaubnis. (zurück zur Übersicht)

 

Als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) gelten nach internationaler Definition unter 18-Jährige, die ohne ihre Eltern oder Personensorgeberechtigten außerhalb ihres Herkunftslandes Schutz vor Verfolgung suchen. Dies gilt auch für Kinder, die nach der Einreise von ihren Eltern getrennt werden und wenn diese Trennung über einen längeren Zeitraum andauert und die Eltern nicht in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern. "Minderjährig" ist grundsätzlich jeder unter 18 Jahren. Ob sie nach deutschem Recht "Flüchtlinge" sind, weil sie von ihrem Staat verfolgt werden und hier bleiben dürfen, muss geklärt werden. In jedem Fall sollen Jugendliche besonderen Schutz bekommen: durch das Jugendamt, durch Betreuer und einen Vormund. (zurück zur Übersicht)

 

Wer sind besonders schutzbedürftige Personen (bei Aufnahme und Unterbringung)? In Artikel 21 der EU-Aufnahmerichtlinie-2013/33/EU vom 26. Juni 2013 sind beispielhaft besonders schutzbedürftige Personen aufgezählt (Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und “Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z.B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien).Ein besondererSchutzbedarf kann durch das Zusammenleben in Aufnahmeeinrichtungen für spezielle Personengruppen (z. B.: Christen/Konvertiten, Frauen, LSBTI) entstehen. Durch die stets wechselnde Belegung in den Aufnahme- und Unterbringungseinrichtungen ergeben sich ständig neue Rahmenbedingungen. Dies erfordert, dass Bedürfnisse der schutzbedürftigen Personen zu berücksichtigen und Schutzkonzepte für Personengruppen zu erstellen sind. (zurück zur Übersicht)

 

Wie verliefen die Asylverfahren in 2015 bis 2017 (November) mit welchem Ausgang?

  1. Anerkennung nach Artikel 16a des Grundgesetzes als politisch Verfolgte. Berücksichtigt wird nur staatliche Verfolgung und quasi-staatliche Verfolgung (2015: 0,7 Prozent der Entscheidungen; 2016: 0,3 Prozent ;2017: 0,7 Prozent)
  2. Anerkennung als Flüchtling gemäß § 3 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz aus begründeter Furcht vor Verfolgung aus rassistischen Gründen, wegen Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Ausgehen kann diese Verfolgung vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staates beherrschen. (2015: 47 Prozent der Entscheidungen, 2016: 36,8 Prozent ;2017: 20,6 Prozent)
  3. Gewährung  von subsidiärem Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Asylverfahrensordnung bei drohender Todesstrafe, drohender Folter oder ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Lebens (2015: 0,6 Prozent der Entscheidungen; 2016:22 Prozent; 2017: 16,3 Prozent)
  4. Feststellung eines Abschiebeverbotes / Aufenthalt nach humanitären Kriterien bei  drohender Verletzung von grundlegenden Rechten, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben sind, oder bei einer schweren Krankheit, die sich „Zielstaat“ wesentlich oder lebensbedrohend verschlimmern würde, da sie nicht angemessen behandelt werden kann (2015: 0,7 Prozent, 2016: 3,5 Prozent; 2017: 6,6 Prozent)
  5. Ablehnungen haben direkte Abschiebungen oder verzögerte Abschiebungen (Duldungen) zur Folge (2015: 32,4 Prozent der Entscheidungen; 2016: 25 Prozent; 2017:38,5 Prozent)
  6. Formelle Entscheidungen, wenn ein Flüchtling in Deutschland heiratet, seinen Antrag zurückzieht, unerreichbar ist oder wenn der Flüchtling ein anderes EU-Land betreten hat, bevor er nach Deutschland kommt (Dublin Verfahren) (2015: 17,8 Prozent der Entscheidungen , 2016: 12,6 Prozent ; 2017:17,9 Prozent)

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Heribert Krane - Referat Integration und Migration, Caritasverband für das Erzbistum Paderborn