Syrien braucht Solidarität und Stabilität, keine Überforderung durch Rückkehrende ohne Perspektive

Der Diözesan-Caritasverband Paderborn und das Erzbistum unterstützen seit 2016 zahlreiche Projekte in Syrien. Vor dem Hintergrund des Machtwechsels in Syrien am 8. Dezember 2024 ruft der Diözesan-Caritasdirektor Ralf Nolte, der zugleich Flüchtlingsbeauftragter des Erzbistums Paderborn ist, dazu auf, mit dieser Thematik verantwortungsvoll und bedacht umzugehen. Er warnt vor einer verfrühten Rückkehr von Geflüchteten in ihr Heimatland, das nach wie vor von tiefgreifenden Krisen und Unsicherheiten geprägt ist.

„Es ist vollkommen in Ordnung, wenn die Menschen bei der Frage, ob sie gehen oder bleiben wollen, zunächst abwarten“, erklärt Nolte. Viele Syrer und Syrerinnen, die nach Deutschland geflüchtet sind, seien noch immer mit den Auswirkungen des Krieges und der Zerstörung ihres Heimatlandes konfrontiert. Die politische Lage sei weiterhin instabil, und die soziale und infrastrukturelle Situation in weiten Teilen des Landes ermögliche es nicht, von einem sicheren und menschenwürdigen Leben zu sprechen. „Es ist realitätsfern und alles andere als human, Menschen, die womöglich noch unter den Kriegsfolgen leiden und traumatisiert sind, voreilig zur Rückkehr in ein zerstörtes Land aufzufordern, in dem die Infrastruktur für ein menschenwürdiges Leben an vielen Stellen fehlt“, so Nolte weiter.

Die Caritas plädiert daher für mehr Geduld und einen differenzierten Umgang mit der Rückkehrfrage. Anstatt auf schnelle Abschiebungen zu setzen, sollten die Perspektiven von Geflüchteten berücksichtigt werden, die sich in Deutschland bereits sprachlich und beruflich integriert haben. Nolte hebt hervor, dass diese Menschen – besonders im Gesundheitswesen – eine wertvolle Ressource für die Gesellschaft darstellen. „Flüchtlinge, die sich in Deutschland erfolgreich integriert haben, können als Fachkräfte einen entscheidenden Beitrag leisten, etwa im Bereich der Pflege oder in anderen Bereichen des Gesundheitswesens“, erklärt er.

Nolte mahnt zudem, dass die internationale Gemeinschaft nicht leichtfertig davon ausgehen sollte, dass der Grund für den Schutz dieser Menschen, der sie zur Flucht gezwungen hat, einfach entfallen sei. Der Sturz des langjährigen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, der durch den Machtwechsel im Dezember 2024 einen weiteren Wendepunkt erfahren hat, ändere wenig an der Realität vor Ort. „Wir dürfen nicht leichtgläubig meinen, der Grund für ihren Schutz sei von heute auf morgen entfallen“, warnt Nolte. Insbesondere die syrischen Christen und andere religiöse Minderheiten blicken mit Sorge auf die Zukunft des Landes. „Es gibt Gründe zur Vorsicht, wenn man an die neuen Machthaber denkt. Diese haben bis vor kurzem mit allen Mitteln ein islamistisches Kalifat durchsetzen wollen, was zu ihrer Einstufung als Terrororganisation durch die EU führte“, so Nolte.

Die Erfahrungen anderer arabischer Länder, wie etwa des Irak, hätten gezeigt, dass politische Umbrüche nicht automatisch zu einer Verbesserung der Lage für religiöse Minderheiten führen. Auch wenn der Sturz von Assad für viele Syrer eine Erleichterung darstelle, dürfe nicht vergessen werden, dass das Land weiterhin von religiösen und ethnischen Spannungen geprägt ist. „Niemandem in Syrien sind etwa die Erfahrungen im Nachbarland Irak zu wünschen“, sagt Nolte, der auf die instabile politische Lage und die Gefahr einer neuen Form der Gewalt hinweist.

In diesem Kontext fordert Nolte die deutsche und europäische Politik auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Stabilisierung Syriens zu fördern. Anstatt Flüchtlinge auf die Rückkehr in ein Land zu drängen, das nach wie vor von Unsicherheit und Zerstörung geprägt ist, müsse der Fokus auf langfristiger Hilfe und Unterstützung liegen, um eine nachhaltige Rückkehr erst dann zu ermöglichen, wenn die Rahmenbedingungen tatsächlich sicher sind.

Die Caritas sieht in diesem Zusammenhang die internationale Gemeinschaft und insbesondere Europa in der Verantwortung, nicht nur politische, sondern auch humanitäre und entwicklungspolitische Maßnahmen zu ergreifen, um den Menschen in Syrien zu helfen, sich eine bessere Zukunft aufzubauen.