Orientierungshilfe im O-Punkt

Foto: Beratungssituation Jörg Theis berät ehrenamtlich Flüchtlinge im O-Punkt, dem neuen Orientierungs-Punkt für Geflüchtete in Kamen. pdp Kamen, 17. Mai 2016. Begegnungen mit Flüchtlingen im Firm-Projekt „go4peace“ im katholischen Pastoralverbund Kamen-Kaiserau gaben vor sieben Jahren den Anstoß zu einem heute weit verzweigten Netzwerk der Hilfen. Aus den Begegnungen wurde der „Engagierten-Treff-Asyl“, kurz „entra“, aus „go4peace“ ein europäisches „Netzwerk des gelebten Evangeliums für junge Leute“.

Jedes Mal, wenn die Tür geöffnet wird, ertönt ein kurzer elektronischer Zweiklang. Es klingelt oft an diesem Donnerstagmorgen im O-Punkt, dem Beratungsbüro für Geflüchtete an der Weststraße 62 in Kamen. Ein Wartebereich, eine Spielecke hinter offenem Fachwerk und drei Beratungsplätze, davon einer in der Küche, sind in dem Ladenlokal eingerichtet. „Das ‚O‘ steht für ‚Orientierung‘“, erklärt Pastor Meinolf Wacker bei dem viele Fäden des Hilfsnetzwerkes zusammenlaufen. Der im Februar eröffnete O-Punkt ist das jüngste Projekt. Vorher fanden die Beratungen in den jeweiligen Flüchtlingsunterkünften statt. Viele Geflüchtete leben aber inzwischen in eigenen Wohnungen und daher bietet eine zentrale Anlaufstelle große Vorteile. Möglich wurde die Anmietung der Räume auch durch eine Unterstützung aus Mitteln des Flüchtlingsfonds‘ vom Erzbistum Paderborn. Der O-Punkt wird von Ehrenamtlichen des Netzwerks „entra“ und des Kamener Vereins „ProMensch e.V.“ organisiert. Immer dienstags und donnerstags von 10.30 bis 17 Uhr sorgen zurzeit 18 Ehrenamtliche dafür, dass sich Flüchtlinge in der deutschen Gesellschaft zurechtfinden.

 

Seit mehr als sechs Jahren investiert Jörg Theis einen erheblichen Teil seiner Zeit als Ruheständler in die Beratung von Flüchtlingen. Der Sozialarbeiter hat früher ein Kinderheim geleitet und engagiert sich ehrenamtlich bei der Arbeiterwohlfahrt, die Partner im Netzwerk der Kamener Flüchtlingshilfen ist. Theis lotst die Ratsuchenden beispielsweise durch den Dschungel der deutschen Arbeitsverwaltung und -vermittlung. Er erklärt den Unterschied zwischen Praktikum (vorrangig für EU-Bürger) und Hospitation (keine Einschränkung, aber auch keine Möglichkeit praktischer Mitarbeit). Die Hospitation kann aber ein erster Schritt in den Arbeitsmarkt sein. Jörg Theis stellt dazu auch Kontakte zu Unternehmen her. „Morgen habe ich ein Gespräch mit einem Apotheker“, sagt er. Etwa genauso lange wie Jörg Theis engagiert sich auch Angelika Kuhl schon in der ehrenamtlichen Flüchtlingsberatung. In ihrer Arbeit als Lehrerin in Deutschkursen wurde sie immer wieder mit den Fragen und Unsicherheiten der Geflüchteten konfrontiert. Mietverträge, Sozialleistungen, Anmeldung im Kindergarten oder Schule und das Asylverfahren selbst – Angelika Kuhl arbeitete sich in viele komplizierte Angelegenheiten ein, um den Ratsuchenden Auskunft zu geben. „Das ist schon so etwas wie eine zweite Beschäftigung“, sagt sie. Meinolf Wacker weiß, dass die Ehrenamtlichen auch Grenzen setzen müssen, damit die Familie oder sie selbst nicht unter dem Einsatz leiden. Das ist auch Thema bei regelmäßigen Gruppentreffen und den Angeboten von Supervision. Dies gilt ebenso für die Paten, die sich um einzelne Flüchtlinge bzw. Familien kümmern. „Aktuell haben wir 30 Patenschaften und die Bereitschaft dazu wächst“, freut sich Meinolf Wacker. Der O-Punkt sei auch eine Anlaufstelle für Menschen, die eine Patenschaft für Flüchtlinge übernehmen wollten.

Ob Paten oder Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit, viele kommen nicht aus dem klassischen katholischen Milieu. „Kirche entwickelt sich hier auch neu über den diakonischen Dienst“, meint Meinolf Wacker. „Es kommt vor, dass in einer schwierigen Situation jemand sagt ‚denk mal daran‘ und eigentlich meint ‚bete mal dafür‘“, berichtet er. Wenn dann die Gottesdienstgemeinde für solche Anliegen bete, ergänze sich das sehr gut.

Aber auch in den Gemeinden im Pastoralverbund Kamen-Kaiserau gibt es sehr viel Engagement für die Flüchtlinge. Der Pfarrgemeinderat (PGR) von Heilige Familie hat dies zu seinem Schwerpunktthema gemacht. PGR-Mitglieder organisieren das „Klamotten-Café“ im Pfarrzentrum, wo sich Flüchtlinge treffen und Kleiderspenden erhalten können. Darüber hinaus gibt es eine Kleiderkammer mit regelmäßigen Öffnungszeiten und Alphabetisierungskurse zum lateinischen Alphabet mit Kinderbetreuung im Pfarrzentrum.

 

Die Aktion „go4peace“ bei der sich 2015 Jugendliche aus ganz Europa mit Flüchtlingen in Kamen eine Woche lang in Workshops und zu verschiedenen Veranstaltungen trafen, geht ebenfalls weiter. „Wir fahren mit 60 jungen Menschen im Sommer zum Weltjungendtag nach Krakau“, kündigt Meinolf Wacker an. Sechs oder sieben von ihnen werden Flüchtlinge aus Kamen sein. Es wären gerne noch mehr mitgefahren, zwei Mädchen aus Armenien beispielsweise. Voraussetzung für die Einreise nach Polen ist jedoch der sogenannte „blaue Pass“, den nur anerkannte Asylbewerber erhalten und der zu Reisen im Schengen-Raum berechtigt.

 

Am 28. Mai aber können alle dabei sein, wenn ProMensch e.V., „entra“ und weitere Veranstalter unter dem Titel „Herzlich WillKamen“ ab 12 Uhr zum großen Straßenfest einladen. Am Christophorus-Haus gibt es dann Hüpfburgen, Kinderschminken, Bauchtanz, Weltmusik und internationale Spezialitäten.