NesT - Neustart für schutzbedürftige Flüchtlinge
Ehrenamtliche in Unna helfen sechsköpfiger Familie
Paderborn / Unna (pdp). Sie sitzen in Lagern in Ägypten, Jordanien, Kenia, dem Libanon und Niger fest und leben dort unter äußerst schwierigen Bedingungen. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sind weltweit mehr als 1,4 Millionen besonders schutzbedürftige und anerkannte Flüchtlinge an ihrem Fluchtort nicht sicher. „Neustart im Team“ oder kurz „NesT“ heißt ein staatlich und zivilgesellschaftlich getragenes Pilotprojekt, das eine humanitäre Aufnahme von zunächst bis zu 500 Flüchtlingen zusätzlich in Deutschland ermöglicht und vom Erzbistum Paderborn unterstützt wird.
In Unna bereitet sich aktuell eine NesT-Gruppe mit 19 Ehrenamtlichen auf die Ankunft einer sechsköpfigen Flüchtlingsfamilie vor. Der Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn, Josef Lüttig, erklärt zu dem Programm: „Die Kirchen und Wohlfahrtsverbände haben schon immer ein stärkeres Engagement des Bundes für besonders verletzliche Gruppen gefordert und auch die eigene Beteiligung in Aussicht gestellt.“ Er sei daher froh, dass das Erzbistum Paderborn den Flüchtlingsfonds für das NesT-Programm geöffnet habe. Die geplante Aufnahme der Familie in Unna wird unter anderem aus diesen Mitteln mit 5.000 Euro gefördert. Eine Unterstützung gibt es darüber hinaus auch von der evangelischen Kirche.
Vor allem aber ermöglichen die ehrenamtlichen NesT-Gruppen die Aufnahme von Flüchtlingen über dieses Programm, indem sie sich unter anderem verpflichten, eine Wohnung zu finden und die Kaltmiete für zwei Jahre zu finanzieren. Außerdem unterstützen sie die Flüchtlinge im ersten Jahr nach der Einreise, beispielsweise bei Behördengängen oder beim Kennenlernen ihrer neuen Umgebung, was eine wichtige Voraussetzung für die Integration ist.
Ankunft steht kurz bevor
„Jetzt wird es konkret“, sagt Volker Schreiber. Der 57-Jährige ist neben Mechthild Terhorst einer der beiden Hauptmentoren der Gruppe in Unna. Mit „konkret“ meint er, dass die Ankunft der sechsköpfigen Familie, für die sich die Gruppe gemeldet hat, nun nicht mehr lange auf sich warten lässt. „Wir wissen, dass es eine Familie aus einem Flüchtlingslager in Kenia sein wird, mehr aber noch nicht“, erklärt seine Frau Stefanie Schreiber, die sich ebenfalls in der Gruppe engagiert. In zwei großen vom UNHCR betreuten Lagern in Kenia leben Geflüchtete aus Somalia, dem Südsudan, dem Kongo und Äthiopien. Sie sind vor den Bürgerkriegen oder Hungerkatastrophen in ihren Heimatländern geflohen.
Der Schutzbedarf der für das Programm vorgesehenen Menschen wurde vom UNHCR unter anderem auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention festgestellt und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat sie für die Aufnahme in Deutschland ausgewählt. Es handelt sich um besonders schutzbedürftige Menschen, wie allein reisende Frauen mit Kindern oder Menschen, die an einer Krankheit oder Traumatisierung leiden, die in dem betreffenden Land nicht behandelt werden kann. „Eine Familie muss man sich auch nicht nach unseren Maßstäben vorstellen, es können auch Großeltern mit Enkeln sein oder eine Gruppe von Geschwistern“, erläutert Stefanie Schreiber.
Persönliche Ansprache
Der Familie wird dann der Aufnahmeort Unna vorgestellt und die NesT-Gruppe erhält nähere Informationen zu der Familie. Wenn beide Seiten der Ansicht sind, dass man zusammenpasst, wird die Einreise organisiert. Zunächst geht es in ein Aufnahmelager in Brandenburg oder in das Aufnahmelager Friedland und dann weiter nach Unna.
Auf den Tag der Ankunft bereitet sich die Gruppe in Unna nun seit fast einem Jahr vor. Die Corona-Pandemie hat die Ankunft der Flüchtlinge verzögert. Die Zeit sei aber gut genutzt worden, berichtet Mechthild Terhorst. Sie hatte die Gruppe im Herbst 2020 ins Leben gerufen, nachdem sie im Flüchtlingsrat im Kreis Unna vom Projekt „NesT“ erfahren hatte. Zusammen mit ihrem Mann Edgar Terhorst sprach sie andere für die Mitarbeit in der NesT-Gruppe an: „Das lief nur über persönliche Ansprache und viele waren bereit, mitzumachen.“ Am Ende bildete sich eine Gruppe von 19 Ehrenamtlichen, die sich über Online-Konferenzen organisiert. „Das Altersspektrum reicht von 16 bis 79“, berichtet Edgar Terhorst. Einige waren bereits vorher in der Hilfe für Flüchtlinge aktiv, die Mehrheit aber engagiert sich neu in diesem Bereich.
Schwierige Wohnungssuche
Vor allem die Wohnungssuche erwies sich als schwierig. Da sich die Gruppe entschieden hat, eine vier- bis sechsköpfige Familie aufzunehmen wurde eine große Wohnung benötigt, für die man nicht genau angeben konnte, wann sie bezogen wird. „Das ist auf dem angespannten Wohnungsmarkt eigentlich unmöglich“, erläutert Edgar Terhorst. Dass es doch noch gelang, ist dem Einsatz der NesT-Gruppe zu verdanken. Mit Eingaben und Vorsprachen bis hin zum Bundeskanzleramt konnte eine Wohnung gefunden werden, die von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vermietet wird. Nun musste noch die Kaltmiete für zwei Jahre – immerhin circa 20.000 Euro – zusammengebracht werden. „Es gab Zuschüsse und Spenden, aber das war kein Selbstläufer“, berichtet Volker Schreiber. Um Renovierungsarbeiten wird sich die NesT-Gruppe jetzt ebenso
kümmern, wie um gebrauchte Möbel. „Wir werden aber erst einmal abwarten, welche Menschen kommen und möchten sie auch nicht bevormunden“, sagt Stefanie Schreiber.
Ihre Motivation zu helfen sei groß, wie bei allen in der Gruppe. „Es geht uns hier in Deutschland so gut, da ist es schön, wenn wir auch etwas zurückgeben können und anderen helfen, die bisher unter sehr schweren Bedingungen leben mussten“, erklärt sie. „Die niederschmetternden Nachrichten und Bilder in den Medien über Menschen auf der Flucht und die Reaktionen der EU auf deren Not haben uns nicht ruhen lassen und angerührt“, ergänzt Edgar Terhorst. So wollten sie nicht tatenlos bleiben, sondern „ganz praktisch etwas Sinnvolles tun“.
Caritas berät künftige Mentorinnen und Mentoren
Der Deutsche Caritasverband ist neben dem Deutschen Roten Kreuz und der Evangelischen Kirche von Westfalen Teil der Zivilgesellschaftlichen Kontaktstelle (ZKS). Dort werden Informationen über das Projekt verbreitet, Schulungen für angehende Mentorinnen und Mentoren angeboten und Interessierte beraten.
Kontakt:
E-Mail :
Telefon : 02304 755-4545
Web :
www.neustartimteam.de
Informationen erteilt auch der Flüchtlingskoordinator im Erzbistum Paderborn, Hezni Barjosef, unter Tel. 05251 209-204 oder E-Mail .