Menschenrechtlich bedenklich
Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig hält die Aussetzung des Familiennachzugs für menschenrechtlich bedenklich. cpd Paderborn, 13. November 2017. Für „verfassungsrechtlich und menschenrechtlich bedenklich“ hält der Diözesan-Caritasverband Paderborn eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte aus Syrien. „Uns treibt als Caritas im Erzbistum Paderborn die Sorge um, dass es eine Verlängerung des eingeschränkten Familiennachzugs geben soll“, sagt Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig. Er appelliert an die Verantwortlichen, den Familiennachzug, der im Vorjahr bis zum 16. März 2018 ausgesetzt wurde, wieder zuzulassen.
Die schwerwiegenden Folgen dieser politisch gewollten Einschränkung für Menschen, die nach fünf Jahren bereits eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, erleben Caritas-Berater jeden Tag: Verzweifelte Menschen, deren Familien teils schon seit zwei Jahren warten, aus Syrien oder der Türkei nachkommen zu können. Menschen, die vor lauter Angst und Sorge um ihre Familien kaum in der Lage sind, Deutsch zu lernen, geschweige denn, sich ein neues Leben aufzubauen. Britta Langner, Caritas-Beraterin aus Detmold, kennt viele Beispiele, berichtet von einem 34-jährigen Syrer, der an Leukämie erkrankt ist und dringend seine Frau und seine beiden kleinen Kinder um sich bräuchte. Doch weil er nicht als Flüchtling, sondern nur als subsidiär Geschützter anerkannt ist, darf seine Familie aus der Türkei nicht nachkommen. Trotz seiner lebensbedrohlichen gesundheitlichen Lage wollte er deshalb zu seiner Familie zurück, doch Syrer erhalten kein Visum mehr für die Türkei.
„Ehe und Familie zu schützen, bleibt eine der wichtigsten Aufgaben des Staates“, sagt Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig. Dies gelte nicht nur für deutsche Familien. „Wer auf Dauer in Deutschland bleibt oder geduldet ist, muss seine engsten Familienangehörigen zu sich holen können.“ Diese Forderung von Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, mache sich auch die Caritas im Erzbistum Paderborn zu eigen.
Der große Druck, unter dem Flüchtlinge stehen, lässt auch Ehen zerbrechen, berichtet Britta Langner. Viele Ehepartner, die in Syrien oder der Türkei warten, könnten nicht nachvollziehen, dass sie nicht kommen dürfen. „Das ist eine extreme Belastungsprobe für jede Beziehung.“ Für den an Leukämie erkrankten Syrer will Britta Langner nun einen Antrag aus dringenden humanitären Gründen stellen, auch wenn das Auswärtige Amt von der Härtefallklausel bisher nur in wenigen Einzelfällen Gebrauch gemacht hat. „Aber wenn dies kein Härtefall ist, wüsste ich nicht mehr, was überhaupt unter Härtefall zu verstehen ist.“