„Wir dürfen nicht aufhören zu hoffen"
Begrüßten Schwester Annie Demerjian (mitte) und Provinzoberin Schwester Helen Haigh in Paderborn: Dr. Dirk Lenschen, Geschäftsführer der CaritasStiftung, Domkapitular Dr. Thomas Witt und Weihbischof Matthias König (von links). pdp / Lena Reiher Paderborn, 27.2.2017 (cpd). Sie hilft Tausenden Menschen in desaströsen Lebensverhältnissen im syrischen Aleppo: die Ordensschwester Annie Demerjian RJM. Gemeinsam mit einem engagierten zehnköpfigen Helferkreis trotzt sie seit Jahren der Gefahr durch Bomben und Scharfschützen. Mit ihrer Provinzoberin Sr. Helen Haigh von den Schwestern Jesu und Mariens besuchte sie vergangene Woche Paderborn und berichtete vom Alltag in der ehemaligen Millionen-Metropole. Der Diözesan-Caritasverband und das Erzbistum Paderborn hatten ihre Hilfsaktionen im vergangenen Jahr mit 130.000 Euro unterstützt.
„Der Strom wurde schon vor Jahren abgestellt“, berichtet Sr. Annie. Denn der Staudamm, der Aleppo mit Strom und Wasser versorgte, ist unter Kontrolle der islamistischen Terrormiliz IS. Bei örtlich betriebenen Generatoren können sich die Menschen kleine Strommengen für einige Stunden täglich kaufen, wenn sie denn das nötige Geld dafür aufbringen können. „Aber 85 Prozent der Menschen sind arbeitslos“, berichtet Sr. Annie. „Die Wirtschaft ist zusammengebrochen. Und selbst wer Arbeit hat, verdient nicht genug, um sich versorgen zu können.“ Deshalb unterstützen Sr. Annie und ihre Helfer rund 1250 Familien mit Stromgutscheinen sowie rund 2000 Familien mit Lebensmittelgutscheinen. „Wir kooperieren mit drei Supermärkten, wo sich die Menschen das, was sie am dringendsten brauchen, besorgen können.“ Gegen die Kälte helfen 7800 Anoraks, die mit Hilfe von Caritas und Erzbistum Paderborn in 13 Schneidereien in Aleppo hergestellt und im Dezember und Januar an Kinder und Familien verteilt wurden.
Nachdem syrische Regierungstruppen kurz vor Weihnachten ganz Aleppo unter ihre Kontrolle brachten, verschärfte sich die sowieso schon kritische Versorgungslage mit Wasser noch weiter, berichtet Schwester Annie. Es stehen nur noch örtliche Brunnen zur Verfügung, aus denen man sich mit dem nötigsten Wasser versorgen kann. Frauen, Kinder und alte Menschen müssen in Wasserbehältern so viel nach Hause schleppen, wie sie tragen können. Zudem beliefert Sr. Annies Helferkreis mit auf Autos montierten Wassertanks die Bedürftigsten.
Die vier syrischen Schwestern des Ordens, zu dem in 28 Ländern insgesamt 1300 Schwestern gehören, mussten inzwischen nach Damaskus umziehen. Einmal im Monat reist Sr. Annie daher für zehn Tage nach Aleppo. Das fällt jetzt leichter, da die Route unter Kontrolle von Regierungstruppen ist, die die Christen im Gegensatz zu islamistischen Milizen unbehelligt lassen.
„Wir hätten uns niemals vorstellen können, dass so etwas passieren könnte“, sagt die britische Provinzoberin Schwester Helen Haigh, die lange in Syrien gelebt hat. „Die Hälfte der Bevölkerung dieses einst so blühenden Landes ist auf der Flucht. All die Gewalt und das Leiden sind unvorstellbar.“ „Bei uns finden Sie kein Haus, in dem nicht jemand verletzt, gekidnappt oder getötet wurde“, sagt Schwester Annie und berichtet von einem verheerenden Bombenangriff in der Osternacht 2016 in Aleppo. „Drei Familien unserer katholischen Gemeinde wurden ausgelöscht.“ Und dennoch: „Wir dürfen nicht aufhören zu hoffen. Wir brauchen Menschen, die Brücken bauen und Frieden stiften. Eines Tages werden die Wolken verschwunden sein und die Sonne wird wieder scheinen.“