„Hier läuft etwas ganz gewaltig schief“
Mahnwache der Aktion Seebrücke für die Seenotrettung im Mittelmeer (von rechts): Domkapitular Dr. Thomas Witt, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn und Flüchtlingsbeauftragter des Erzbistums Paderborn, Dr. Mathia Dubberke (Seebrücke Paderborn) und Martin Kolek, Freiwilliger des Seenotrettungsschiffes Sea Watch 3, aktuell das einzige zivile Rettungsschiff im Mittelmeer. In Anlehnung an die Farbe der Schwimmwesten tragen die Demonstranten orange Warnwesten. (Foto: cpd / Jonas) Als „absolutes Armutszeugnis für Europa und seine vielbeschworenen Werte“ hat der Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn und Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn, Domkapitular Dr. Thomas Witt, das Verhalten der EU gegenüber den Flüchtlingen im Mittelmeer bezeichnet. Anlässlich einer Mahnwache der „Aktion Seebrücke“ in der Paderborner Fußgängerzone, an der er teilnahm, sagte er, die Behinderung und Kriminalisierung ziviler Seenotrettungsschiffe und das Delegieren der Seenotrettung an die sogenannte „libysche Küstenwache“ sei „ein Skandal“. „Da stecken übelste Verbrecher dahinter.“ Eine wirkliche libysche Küstenwache gebe es gar nicht, weil es keinen funktionierenden Staat gebe. „Das steht gegen alles, wofür Europa mit seinen Sonntagsreden steht.“ Folter und Misshandlungen in den libyschen Flüchtlingslagern würden von der EU geflissentlich ignoriert. „Das will keiner so genau wissen, weil man dann etwas ändern müsste“, sagt Witt, und: „Hier läuft etwas ganz gewaltig schief.“
Für das Verhalten von Malta und Italien, die zivilen Seenotrettungsschiffen die Einfahrt verweigerten, äußerte Thomas Witt „etwas Verständnis“. „Diese beiden Länder werden mit der Problematik allein gelassen. Dass die dann irgendwann einmal Stopp sagen, kann ich verstehen.“ Die Abschreckungspolitik der EU führe zwar einerseits zu einem gewissen Rückgang der Zahlen der Flüchtlinge, die über das Meer fliehen wollen. Aber „zu einem hohen Preis“. Denn Tausende ertrinken im Mittelmeer. „Viele Bootsflüchtlinge kennen das Risiko gar nicht. Sie haben keine Vorstellung davon, wie weit es von Libyen bis Italien oder Malta ist. In dem Moment, in dem sie auf das Boot gehen, können sie oft nicht mehr frei entscheiden.“ Und die menschenunwürdigen, teils von der EU unterstützten Lager in Libyen seien keine Alternative. „Menschen, die nichts zu verlieren haben, gehen alle möglichen Risiken ein“, sagt Witt.
Er ruft Städte wie Paderborn dazu auf, sich dem Beispiel von rund 30 Städten in Deutschland anzuschließen, und sich bereit zu erklären, aus dem Mittelmeer Gerettete aufzunehmen. Zwar habe der Bundesinnenminister dieses Angebot bisher nicht angenommen, aber: „Wenn immer mehr Kommunen mit einem solchen Schritt deutlich machen, dass sie die Situation im Mittelmeer so nicht weiter akzeptieren wollen und auch bereit sind, konkret an einer Lösung mitzuwirken, dann wird das auf Dauer eine Wirkung haben“, ist der Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn überzeugt.