„Eindeutig kein sicheres Herkunftsland“
Domkapitular Dr. Thomas Witt ist Vorsitzender des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn und seit Februar 2016 zusätzlich Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen. cpd Paderborn, 23. Januar 2017 (cpd). Der Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn, Domkapitular Dr. Thomas Witt, hält Abschiebungen nach Afghanistan angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage in diesem Land für nicht konform mit dem geltenden Asylrecht in Deutschland. „Laut Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ist Afghanistan eindeutig kein sicheres Herkunftsland“, betont Dr. Witt, der zugleich Vorsitzender des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn ist. Der UNHCR hatte am 22. Dezember in seinem jüngsten Lagebericht von einer desaströsen Sicherheitslage gesprochen, die sich im zweiten Halbjahr 2016 verschlechtert habe. Selbst das Auswärtige Amt rate seit Ende 2016 dringend von Reisen nach Afghanistan ab. Dr. Witt: „Niemand darf nach deutschem Asylrecht in eine Krisenregion zurückgeschickt werden, in der lebensbedrohliche Situationen entstehen können oder Menschenrechtsverletzungen drohen.“
Die am 2. Oktober letzten Jahres mit Afghanistan geschlossene Rücknahmevereinbarung bedürfe einer kritischen Überprüfung. „Nicht die Sicherheitslage in Afghanistan, sondern die politische Stimmung in Deutschland war für diesen Beschluss ausschlaggebend“, befürchtet Dr. Witt. Auffällig sei, dass vor allem alleinstehende junge Männer, auch wenn sie mit Familienangehörigen eingereist sind, vorrangig für Abschiebungen ausgewählt werden. Der Hinweis, dass ein Drittel der Abgeschobenen Straftäter seien, könne zwar dazu dienen „die Stammtische zu beruhigen, laufe aber auf eine Schädigung der Rechtsstaatlichkeit hinaus. Auch für Straftäter gilt das Recht. Und das ist nicht primär eine Schwäche unseres Staates, sondern seine Stärke, um die uns viele Menschen in der Welt beneiden.“ Niemand dürfe aus unserem Land abgeschoben werden, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht.
„Diese Rechtlage darf nicht durch Ignorieren oder Schönreden von beunruhigenden Analysen der Situation in Afghanistan ausgehöhlt werden“, so Witt. Dabei sei die Rechtslage kein Selbstzweck, sondern sichere die Menschenwürde, die oberstes Prinzip unseres Grundgesetzes ist. Dafür einzutreten sei Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte. „Die Menschenwürde besitze jeder Mensch, selbst der Straffällige.“ Mit gemischten Gefühlen sieht Dr. Witt der vom Bundesinnenministerium noch für Januar vorgesehenen zweiten großen Sammelabschiebung nach Afghanistan entgegen. Notfalls müssten die Bundesländer eigene Abschiebestopp-Regelungen in Kraft setzen.